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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Hauptgefechtes hinter ihm zurückgeblieben und jagte er wieder übers offene Feld. Als er am ersten der Wagen vorbeikam, die Fredericks verfolgt hatten, hob Orlando die Lanze, um entweder den sich duckenden Lenker oder seinen gepanzerten Herrn zu durchbohren.
    Nein, es sind bloß Reps, sagte er sich und bog ab. Wie mechanische Spielzeuge. Reine Energieverschwendung, wütend zu werden. Aber er war wütend. Statt der lachenden Hochstimmung von Thargors Kämpfen in Mittland erfüllte ihn eine kalte, unpersönliche Wut.
    Er konnte die Trümmer des Wagens jetzt wenige hundert Meter vor sich deutlich erkennen; sein Herz drohte zu versagen, als er daneben einen furchtbar verwinkelten Körper liegen sah, aber gleich darauf kroch eine andere Gestalt aus dem hohen Gras hervor und rappelte sich auf. Der Panzer, den sie anhatte, war seiner. Bevor er noch Erleichterung fühlen konnte, hielt dahinter ein großer bronzener Wagen mit spritzenden Rädern an, und ein hochgewachsener Mann sprang heraus und lief auf Fredericks zu.
    »Halt!« schrie Orlando, doch der Wind riß ihm die Worte vom Mund weg. »Ich bin’s, den du haben willst!«
    Fredericks humpelte sichtlich und machte keine Anstalten, vor dem gepanzerten Mann zu fliehen. Orlando trat seinem Pferd in die Rippen und streckte die Hand nach den beiden kleinen Gestalten aus, als ob ihm nur noch wenige Zentimeter fehlten, um zu verhindern, was gleich geschehen würde. Der größere Mann hob eine Lanze, sprang vor und schleuderte sie auf Fredericks.
    Orlandos Freundin machte einen unbeholfenen Schritt nach hinten und fiel in einen Graben. Die Lanze durchschnitt die Luft an der Stelle, wo sie eben gestanden hatte, und flog noch zwanzig Meter weiter, bevor sie sich tief in die Erde bohrte.
    Andere Wagen kamen angefahren, als Fredericks sich aus dem Graben quälte und sich am Rand auf Händen und Knien hinkauerte. Orlando preßte den Kopf an den Hals des Pferdes, und die Entfernung wurde immer kürzer, aber so langsam, so furchtbar langsam …! Der Mann, dessen Wurf danebengegangen war, ging zu seinem Wagen zurück und riß dem Lenker eine andere Lanze aus der Hand.
    Orlando konnte jetzt die Stimme des Mannes ganz schwach hören. »Die Götter haben dich gerettet, Patroklos. Du hast auch eine Lanze – erprobe doch deinen Arm, daß du erfährst, ob er stark genug ist, meinen Schild einzubeulen.«
    Fredericks schwankte, aber stand nicht auf. Nur am Panzer erkannte Orlando, daß es seine Freundin war, denn ihr Gesicht war blutüberströmt.
    »Halt!« schrie Orlando. »Mich willst du, du Penner!«
    Der Mann drehte sich um. Als er die üppigen schwarzen Haare und die mächtigen Muskeln des Fremden sah, meinte Orlando im ersten Augenblick, sich selbst in seinem Thargorsim vor sich zu haben. »Glaukos?« rief der Mann. »Was schreist du mich an, edler Lykier? Ist dein Haus nicht durch Liebes- und Blutsbande an das meines Vaters Priamos geheftet?«
    Erst jetzt wurde Orlando klar, wen er vor sich hatte, und ihm sank der Mut. Er hatte in den letzten zwei Tagen genug Geschichten von Hektor gehört, um zu wissen, daß er sich keinen schlimmeren Feind hätte aussuchen können, aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Er zügelte das Pferd und sprang ab. Der Boden fühlte sich eigenartig instabil unter seinen Füßen an, so als ob er auf Wolken ginge.
    O Gott, ich glaube kaum, daß ich stark genug bin.
    Die beiden baumlangen Männer traten sich auf dem welligen Gelände gegenüber, jeder eine lange Lanze in der Faust. Andere Wagen hatten angehalten, aber die Insassen schienen die Tragweite der Begegnung zu ahnen und sahen nur schweigend und mit offenen Mündern zu.
    »Ich bin nicht Glaukos.« Orlando nahm seinerseits den Helm ab und schüttelte die goldenen Haare. »Und ich werde auch nicht zulassen, daß du meinen Freund tötest.«
    Hektor zeigte keine Reaktion. Stille schien ihn zu durchströmen, eine so vollständige Stille, daß Orlando sich fragte, ob der Trojaner sich überhaupt noch einmal bewegen würde.
    »Da bist du also«, sagte Hektor langsam. Er hob seinen Helm auf und stülpte ihn über den Kopf, so daß seine Augen in dem schwarzen Sehschlitz unsichtbar waren. »Zerstörer von Städten. Mörder von Unschuldigen. Großer Held der Griechen, mehr darauf bedacht, Lobliedern auf deinen Ruhm zu lauschen, als dir die Hände mit Kämpfen schmutzig zu machen. Aber jetzt endlich … bist du da.« Schallend schlug er den Lanzenschaft gegen den Schild. »Einen von uns wird man, des Lebens

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