Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas
daß es schlecht um ihn stand. Falls Thargors jahrelange Rauferfahrungen in den Tavernen von Madrikhor ihm überhaupt einen Vorteil verschafften, so wurde dieser von dem gewölbten Ding aus Holz und Metall zunichte gemacht, das Hektor hatte und er nicht. Dies war nicht der ungedeckte Kampf, den Thargor kannte – der Trojaner focht, als ob er immer noch eine Lanze hätte, und stach hinter dem Schild hervor nach Orlandos relativ ungeschützten Gliedern, wenn dieser eine Attacke versuchte.
Schon in der ersten Minute hatte Orlando zwei Schwerthiebe mit der Parierstange seines Dolches abfangen müssen, so daß diese fast ganz nach hinten gebogen war. Hektor war unglaublich stark – auch wenn er keinen Schild gehabt hätte, wäre Orlando, soweit er sah, in solchem Hauen und Stechen mit ihm nicht sehr lange am Leben geblieben. Ein Großteil seiner wiedergewonnenen Kraft, die bereits der lange Ritt über die Ebene ziemlich strapaziert hatte, war beim ersten hitzigen Schlagabtausch dahingeschmolzen, und jedesmal, wenn er Hektors Schild mit seinem Schwert zurücktreiben mußte, merkte er, wie er schwächer wurde. Wer keine Kampferfahrung hatte, konnte nicht ahnen, wie rasch die Kraft zerrann, wenn das Herz raste und harte Streiche hin und her gingen.
Aber falls Hektor seinerseits die Wirkung eines langen Tages auf dem Schlachtfeld spürte, so ließ er sich das jedenfalls nicht anmerken. Er bewegte sich wie eine Dschungelkatze, tänzelnd, zuschlagend. Als die Sonne ihn einmal direkt anstrahlte, glitzerten seine Augen unter den finster herabgezogenen Brauen im Schlitz des Helmes.
Indem er sich langsam im Kreis bewegte und wohlüberlegt zurückwich – was er auf jeden Fall hätte tun müssen, da er Hektors hämmernden Angriffsschlägen nicht standhalten konnte –, gelang es Orlando, sich der Stelle zu nähern, wo Fredericks stand und vor Angst fast verging.
»Lauf doch, Orlando!« jammerte sie. »Das lohnt nicht!«
Er knirschte mit den Zähnen. Fredericks schien zu meinen, dieser Kampf sei wie der gestrige Waffengang, bei dem beide Seiten am Abend voneinander abgelassen hatten. Aber Orlando verstand den Blick in Hektors Augen, erkannte den Haß und wußte, daß der Mann ihn auch dann noch verfolgen würde, wenn er ins Meer lief und sich ertränkte. »Hol mein Schwert!« schrie er Fredericks zu. »Das, was du hattest – hol es und wirf es mir hin, daß ich drankomme!«
»Und wenn Hephaistos selbst deine Klinge geschmiedet hätte«, fauchte Hektor, »wird sie dein Leben nicht retten können, Achilles.« Er stieß Orlando seinen Schild ins Gesicht und hackte nach seinen Beinen. Orlando taumelte keuchend zurück. Er fühlte, wie seine Knie immer schwächer wurden, und wußte nicht, ob er noch so einen Streich überstehen würde. Beide Männer schnauften laut, aber es waren Orlandos Lungen, die sich nicht ganz zu füllen schienen.
Der Schild muß weg, sagte er sich. Weg …
Etwas landete hinter ihm auf der Erde. Orlando schaffte es knapp, darüber hinwegzutreten, ohne mit den Fersen hängenzubleiben und zu straucheln. Er tauchte unter einem tückischen Stoß weg, der hinter Hektors Schild hervorgezuckt kam wie eine Schlangenzunge, dann ließ er in blindem Vertrauen darauf, daß Fredericks getan hatte wie geheißen, sein Schwert fallen und griff nach unten.
Es war tatsächlich seine eigene Waffe – er erkannte sie sofort am Gefühl in der Hand und hielt sich nicht mit dem grausigen Gedanken auf, was er gemacht hätte, wenn es etwas anderes gewesen wäre, vielleicht ein von einem Zuschauer geworfener Stein. Hektor versuchte den Wechsel auszunützen, und Orlando konnte gerade noch dem nächsten Hieb nach seinem Gesicht ausweichen. Als er zurücksprang und beim Heben des Schwertes die bekannte Ausgewogenheit fühlte, keimte kurz Hoffnung in ihm auf.
Aber nur sehr kurz. Auch mit der vertrauteren Waffe war er unterlegen. Hektor drang weiter auf ihn ein, machte ihm mit wuchtigen Schildstößen Arm und Schulter taub, führte krachende Streiche gegen Orlandos Klinge, bis diesem die Hand so sehr schmerzte, daß er kaum noch den Griff halten konnte. Orlando verlor immer mehr an Boden, und obwohl er sah, daß er langsam auf die Mauern von Troja zugetrieben wurde, war er außerstande, etwas dagegen zu machen. Der Wind, der über die Ebene strich, ließ seine verschwitzte Haut erschauern. Seine letzte Kraft schien förmlich weggeweht zu werden, zu verdunsten.
»Die Griechen!« schrie Fredericks aufgeregt. »Die Griechen
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