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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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beraubt, von diesem Felde tragen. So lautet der Ratschluß der Götter!«
    »Gardiner, nicht!« schrie Fredericks. »Du bist nicht stark genug. Du bist krank.«
    Sie hatte recht, aber ein Blick in die Runde zeigte Orlando, daß zwar der größte Teil der griechischen Streitmacht sich mittlerweile in ihre Richtung bewegte, doch auch die am nächsten Herangekommenen noch Minuten entfernt waren. In unmittelbarer Nähe dagegen hatten ein Dutzend trojanische Krieger und Wagenlenker einen Halbkreis gebildet; auch wenn sie sich damit begnügten, bei diesem packenden Duell zuzuschauen, wußte Orlando, daß sie ihn nicht weglaufen lassen würden.
    Mit aller Ruhe, die er aufbringen konnte, schritt er auf das Wrack von Fredericks’ Wagen zu. Der Schild des Achilles lag daneben auf dem Boden, eingeklemmt unter dem verstümmelten Lenker. Orlando wälzte den Mann zur Seite und merkte dabei mit einer gewissen Erleichterung, daß er doch nicht ganz unkräftig war, daß ein kranker Achilles immer noch wenigstens so stark war wie ein gewöhnlicher Sterblicher. Er streifte sich den Schild über den Unterarm und schloß die Faust um den Griff. Als er sich wieder zu Hektor umdrehte, schlug sein Herz so heftig, daß ihm der Kopf weh tat.
    Ich kenn mich mit Lanzenkampf nicht genug aus. Ich muß dicht an ihn rankommen, damit ich das Schwert einsetzen kann und meine ganze Thargorerfahrung sich vielleicht bezahlt macht. Aber noch während er das dachte, wußte er, daß er mit dieser kraftstrotzenden, gottgleichen Erscheinung nicht lange Schwertstreiche wechseln konnte. Allein der Ritt hatte ihn so erschöpft, daß seine sämtlichen Muskeln zitterten.
    »Gardiner! Nein!« schrie Fredericks wieder. Orlando bemühte sich, gar nicht darauf zu achten.
    »Okay, Baby«, rief er Hektor zu. »Dann zeig mal, was du drauf hast.«
    Wie gut diese unzeitgemäße Flapsigkeit in die Welt Homers übersetzt wurde, konnte Orlando nicht wissen, aber Hektor schien keinerlei Verständnisschwierigkeiten zu haben. Er lief ein paar Schritte an, holte aus, und schon sauste die Lanze auf Orlando zu. Sie flog so schnell, daß er gerade noch den Schild hochreißen konnte, bevor sie mit einer Donnerwucht einschlug, die ihn von den Füßen fegte. Im Fallen spürte er einen sengenden Schmerz in den Rippen.
    Das war’s. Er hat mich erwischt.
    Er stemmte sich auf die Knie und sah Blut an seiner Seite, doch obwohl er sich fühlte, als hätte ein Auto ihn angefahren, erkannte er schnell, daß die Wunde zwar schmerzhaft, aber nicht tödlich war. Ein Stück weiter weg lag sein durchbohrter Schild, aus dem Hektors Lanze einen vollen Meter weit herausragte.
    Er stellte sich wacklig auf die Beine. Immer mehr Männer eilten über das Schlachtfeld herbei, und die den Zweikampf umringende Menge wuchs. Mit herunterhängendem Schild stand Hektor abwartend bereit. Atemlos, wie er war, vertat Orlando keine Energie mehr mit Provokationen. Ihm war ohnehin nicht danach. Er hob seine hingefallene Lanze auf, maß die Distanz mit dem Auge, lief an und schleuderte sie so hart und gerade, wie er konnte.
    Schnell und weit genug flog sie immerhin – soweit gehorchten ihm seine virtuellen Muskeln also noch –, aber es war lange her, daß Thargor mit einer Lanze gekämpft hatte: Orlandos Fertigkeiten waren eingerostet. Hektor brauchte den Schild, den er hochgenommen hatte, nicht einmal, sondern duckte sich einfach zur Seite und ließ die Waffe harmlos vorbeiflitzen. Auch er schien der Meinung zu sein, daß man auf lange Beschimpfungen verzichten konnte. Er zog sein Bronzeschwert und lief auf Orlando zu.
    Ich hab ihm nicht mal den Schild weggeschlagen, dachte Orlando bitter. Er ist so muskelbepackt wie ich, eher noch mehr, und er hat einen elenden, ätzigen Schild. Er zog ebenfalls sein Schwert und fand, daß es ihm fremd und ungewohnt in der Hand lag. Orlando unterdrückte den fiebrigen Drang, es einfach fallenzulassen und sich hinzulegen. Mein Schwert – Thargors Schwert – ist bisher mit mir in jede Simwelt gekommen. Es muß das sein, das Fredericks genommen hat. Es liegt wahrscheinlich noch dort im Wagen. Er zog zusätzlich einen langen Dolch aus seiner anderen Scheide und trat vor, um dem Angriff des gottgleichen Priamossohnes zu begegnen.
    Vom ersten Moment an, als er Hektors brutalem Rundschlag auswich und seinerseits einen kurzen, harten Konter führte, bei dem ihm ein flammender Schmerz durch die Seite schoß, aber der unschädlich vom Schildrand des anderen abprallte, wußte Orlando,

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