Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
überall schalldämpfende Platten und pflegeleichte Oberflächen.
    Krankenhaus. Das Wort ging ihm nach einer Weile auf, und damit dämmerte ihm langsam die Erkenntnis, daß er wach geworden sein mußte – er mußte irgendwie aus dem Netzwerk hinausgeraten und in seinen Körper zurückgekehrt sein. Ein anderer Gedanke meldete sich zaghaft, und er machte sich auf den Schmerz gefaßt, den … den … (endlich kam ihm der Name) den Fredericks beschrieben hatte, aber nachdem er länger zu den Schallschluckplatten emporgeblickt hatte, spürte er immer noch nichts. Dafür hatte er die Anwesenheit zweier Personen neben seinem Bett bemerkt, die sich von beiden Seiten über ihn beugten und die nur seine Mutter und sein Vater sein konnten. Eine stille Freude erfüllte ihn, als er die Augen aufschlug.
    Die Gestalt zur Linken war so tief in Schatten gehüllt, daß er sie nicht sehen, nur fühlen konnte. Was er wahrnahm, war Bewußtsein, aber auch eine Leere und die damit einhergehende Kälte. Es war keine angenehme Empfindung.
    Die Gestalt zu seiner Rechten hatte einen Kopf, der nur aus Licht bestand.
    Ich bin hier schon mal gewesen, dachte er. Aber da war es irgendwas wie ein Amt, ein Büro, kein Krankenhaus. Am Anfang, als … als ich durch bin nach …
    Hallo, Orlando, sagte das Wesen, dessen Gesicht von seinem eigenen Strahlen unkenntlich gemacht wurde. Es sprach mit der Stimme seiner Mutter, aber es war nicht seine Mutter, auf gar keinen Fall. Du hast uns gefehlt. Dabei waren wir gar nicht fern von dir.
    Wer ist »wir«? Er wollte sich aufsetzen, aber es ging nicht. Das Wesen links von ihm bewegte sich, die eisige Gestalt, die er nicht richtig sehen konnte; einen Moment lang blieb ihm fast das Herz stehen, solche Angst hatte er, es könnte ihn anfassen. Er drehte sich ruckartig weg, aber das Licht auf der anderen Seite war schmerzhaft grell, so daß er gezwungen war, sich wieder den Schallschluckplatten zuzuwenden. Etwas Kleines krabbelte dort, winzig, vielleicht ein Käfer, und er heftete seine Aufmerksamkeit darauf.
    »Wir« im Sinne von »ich«, fuhr seine Mutter fort, die nicht seine Mutter war. »Du«, könnte man vermutlich sogar behaupten. Aber natürlich wäre auch das nicht ganz richtig.
    Er verstand nichts von alledem. Wo bin ich? Was ist das für ein Ort hier?
    Das Lichtwesen zögerte. Ein Traum, würde ich sagen. Vielleicht wäre das die beste Erklärung.
    Heißt das, ich rede mit mir selbst? Findet das alles bloß in meinem Kopf statt?
    Das kalte Feuer wackelte. Er begriff, daß die Gestalt lachte. Wie dadurch verärgert, machte das schattenhafte Wesen am linken Rand seines Blickfeldes eine Bewegung. Er meinte, seinen Atem zu hören, ein langsames, schlafschweres Geräusch aus weiter Ferne. Nein, nein, erwiderte die Gestalt rechts von ihm. So simpel ist es nicht. Du redest allerdings mit dir selbst, aber nur insofern, als von dort die Worte kommen.
    Bin ich tot?
    Das Wort hat in diesem Gespräch nicht viel zu bedeuten. Das Leuchten wurde ein wenig stärker, blendete ihn so sehr, daß eine Träne in sein rechtes Auge trat. Orlando mußte blinzeln. Du bist dazwischen, an einer Grenze. Du stehst in der Mitte zwischen Himmel und Hölle – an einem Ort, der mit der Erde überhaupt nichts zu tun hat, einerlei, was die mittelalterliche Theologie dazu sagt.
    Bist du … Gott? Selbst in seiner Verstörtheit und Losgelöstheit konnte ein Teil von ihm es nicht glauben. Es wirkte alles zu glatt, zu simpel. Das kalte Wesen auf seiner anderen Seite beugte sich näher heran, oder es kam ihm so vor, denn er fühlte einen eisigen Schatten über sich kriechen, und er kniff fest die Augen zu aus Angst, er könnte sehen, was dort stand.
    Die Stimme, die zu dem strahlenden Gesicht gehörte, war freundlich. Die Frage lautet folgendermaßen, Orlando. Es ist eine Art Konfirmandenfrage …
    Mit fest geschlossenen Augen wartete er, aber das Schweigen dauerte an. Als er gerade schon alles riskieren und die Augen öffnen wollte, sprach die sanfte Stimme wieder.
    Wenn Gott allmächtig ist, dann kann der Teufel nichts weiter sein als eine Dunkelheit im Geist Gottes. Doch wenn der Teufel real und eigenständig ist, dann ist jede Vollkommenheit von vornherein ausgeschlossen, und es kann keinen Gott geben … abgesehen von den ehrgeizigen Bestrebungen gefallener Engel …
    Orlando strengte sich an, die Stimme zu vernehmen, die immer leiser geworden war und das letzte Wort nur noch flüsterte. Als ob er sehend besser hören könnte, schlug er

Weitere Kostenlose Bücher