Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
Kopf an der Luke stieß und dann bewegungslos in der Stellung verharrte aus Angst, sie könnten sie gehört haben. Hatte Papi mit etwas geworfen? War er aus dem Fenster gesprungen? Sie hatte das einmal im Netz jemand machen sehen, einen dicken Mann, der von der Polizei gejagt wurde. Sie rechnete damit, daß das Schreien wieder losgehen würde, doch die nächsten Worte ihres Vaters klangen leise und bedauernd.
    »Herrje, tut mir leid. Ich hab sie gar nicht da stehen sehen.«
    »Es war bloß eine Vase, Mike.« Es dauerte ein Weilchen, bis ihre Mutter weiterredete. »Müssen wir uns wirklich streiten? Natürlich mach ich mir auch Sorgen, aber wir können sie nicht einfach … einsperren. Wir wissen doch gar nicht mit Sicherheit, ob etwas nicht in Ordnung ist.«
    »Etwas ist nicht in Ordnung, glaub mir.« Er klang ebenfalls nicht mehr böse, nur müde. Christabel mußte den Atem anhalten, um zu hören, was er sagte. »Hier jagt zur Zeit ein Debakel das nächste, Schatz, und ich laß es an dir aus. Es tut mir leid.«
    »Ich kann es immer noch nicht glauben – dieser Fleck ist so sicher, Mike. Wie ein Städtchen aus einem alten Buch. Freundliche Nachbarn, spielende Kinder auf den Straßen. Wenn wir in Raleigh-Durham oder Charlotte Metro wohnen würden, hätte ich sie keinen Moment aus den Augen gelassen, aber … aber hier!«
    »Es hat einen Grund, daß es so ist, Kaylene. Wir sind hier völlig ab vom Schuß, alles Wichtige passiert heutzutage um den Pazifik rum, an der Westküste oder im Südwesten. Dieser Stützpunkt wäre wahrscheinlich schon vor Jahren dichtgemacht worden, wenn nicht dieser eine alte Mann gewesen wäre, auf den wir aufpassen sollten. Und er ist entkommen. Und auch noch während meiner Dienstzeit.«
    Es tat Christabel weh, wie die Stimme ihres Vaters jetzt klang, aber sie konnte nicht aufhören zu lauschen. Seine Eltern so zu belauschen war, als würde man sich ein Bild von jemand Nacktem anschauen oder einen verbotenen Film gucken, einen mit Blut und abgehauenen Köpfen.
    »Schatz, ist es so schlimm? Du erzählst nie was von deiner Arbeit, und ich bemühe mich, dich damit in Ruhe zu lassen, wenn du zuhause bist – ich weiß ja, daß alles geheim ist –, aber in letzter Zeit wirkst du furchtbar angespannt.«
    »Du machst dir keine Vorstellung. Die haben mir, ganz brutal gesagt, die Eier in den Schraubstock gespannt. Paß auf. Nimm mal an, deine Aufgabe, deine wirkliche Aufgabe, nicht der alltägliche Scheißdreck, besteht darin, dafür zu sorgen, daß niemand eine bestimmte Bank ausraubt. Und jahrelang hat nicht nur niemand sie ausgeraubt, nein, nicht einmal falsch geparkt hat je einer davor, so daß alle denken, du schiebst die ruhigste Kugel der Welt. Und eines Tages, wo du denkst, es ist ein Tag wie jeder andere, raubt nicht nur jemand die Bank aus, sondern transportiert das ganze verdammte Gebäude ab. Wenn du jetzt der Bankwächter wärest, wie wäre dir da zumute? Und was meinst du, wie die Aussichten für deine Karriere danach wären?«
    »O Gott, Mike.« Ihre Mutter klang erschrocken, aber sie hatte auch den flüsterigen Ton, den sie immer hatte, wenn sie Papi küssen wollte, aber er mit irgendwas beschäftigt war und sie nicht ließ. »Mir war nicht klar, daß es so schlimm ist. Dieser wunderliche alte Mann …?«
    »Dieser alte Saftsack, genau. Aber ich darf dir nicht mehr darüber erzählen, Schatz, ich darf es wirklich nicht. Jedenfalls passiert diese Sache mit Christabel nicht gerade zu einem günstigen Zeitpunkt, um es mal so auszudrücken.«
    Eine lange Stille folgte.
    »Und was sollen wir nun mit unserm kleinen Mädchen machen?«
    »Ich weiß es nicht.« Scherben klirrten. Papi war dabei aufzuheben, was er kaputtgemacht hatte. »Aber mich erschreckt das alles zutiefst, und die Tatsache, daß sie uns nichts sagt, macht es noch schlimmer. Ich hätte nie gedacht, daß sie uns so anlügt, Kaylene, daß sie so etwas vor uns verheimlicht.«
    »Mich erschreckt die Sache auch.«
    »Eben, und deshalb der Hausarrest. Sie wird ohne einen von uns nirgendwo anders hingehen als in die Schule, und zwar so lange, bis wir die ganze Wahrheit wissen. Ich werde überhaupt gleich nochmal mit ihr reden.«
    Das letzte, was Christabel hörte, als sie aus der Luke des Reinigungsautomaten herauskroch, waren die Worte ihrer Mutter: »Sei nicht zu streng zu ihr, Mike. Sie ist noch ein kleines Mädchen.«
     
    Während sie mit geschlossenen Augen auf dem Bett lag und sich schlafend stellte, hörte sie die

Weitere Kostenlose Bücher