Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas
hagere Gesicht wurde sofort mißtrauisch. »Nichts.«
»Hör zu, ich interessiere mich nicht nur für Thargor, sondern auch für Orlando Gardiner selbst. Ich ermittle für seine Eltern in einer Sache.«
»Für seine Eltern? Wieso?«
»Langsam, ich bin es, der hier Fragen stellt – und zwar deshalb.« Ramsey zog eine klimpernde Börse aus seinem Mantel. Das Geld hatte ohnehin nur noch für ein oder zwei Einsätze reichen sollen. »Den bekommst du, wenn du mir hilfst. Alles – zwanzig goldene Imperialisten.«
»Imperiale.« Aber der Zauberer, der einst über ein ganzes Land geherrscht hatte, war offensichtlich interessiert. »Bloß für ein Gespräch mit dir?«
»Sofern das Gespräch einigermaßen ergiebig ist.« Ramsey legte den Geldbeutel neben sein Knie. »Sag mir Bescheid, wenn er was eindeutig Falsches erzählt, Beezle, okay?« murmelte er. Dann fragte er: »Warum wolltest du mit Orlando Gardiner reden?«
Dreyra Jarh setzte sich wieder auf seinen Hocker und legte die langen Hände in den Schoß. »Na ja, er ist ein alter Hase hier, genau wie ich. Wir sind zwar verfeindet, quasi …«
»Verfeindet?« Catur zog eine Braue hoch.
»Nicht im wirklichen Leben! Bloß hier. In Mittland. Wir haben große Kämpfe gegeneinander geführt, klar? Ich hab versucht, ihn zu vernichten, er hat versucht, mich zu vernichten. Wir haben uns nie geext, aber es ging immer hin und her, mal hat der eine gewonnen, mal der andere …«
»Da ham wir schon die erste faustdicke Lüge, Sportsfreund«, meldete sich Beezle treu. »Orlando hat gegen diesen Heini nie in irgendwas verloren.«
»… Aber dann hat irgendein popeliger Dutzenddämon ihn abserviert, und das Hohe Schiedsgericht hat seinen Einspruch abgelehnt, und weg war er.«
Ramsey nickte. Bis jetzt war alles im wesentlichen richtig. »Und?«
»Und es kursieren alle möglichen Gerüchte, er hätte vor seinem Abgang wegen ’ner goldenen Stadt rumgefragt, von der niemand in Mittland je was gehört hatte. Aber dann war er weg, klar? Deshalb hab ich nie checken können, was da so geil dran war.«
Bei der Erwähnung der goldenen Stadt wurde Ramsey sehr still. Das Knistern und Knacken des Feuers wirkte unnatürlich laut, die heruntergekommene Bude noch kleiner als vorher.
»Dann hab ich dieses Juwelendings gefunden«, fuhr Dreyra Jarh fort. »Einer von meinen Unterzombies, die für mich an der Grabungsstätte der verschollenen Katakomben von Perinyum gearbeitet haben, kam damit an. Unterzombies machen sich nichts aus Juwelen und solchen Sachen – als Arbeiter sind sie ziemlich spitze. Als ich das Ding untersucht hab, ist es irgendwie … ich weiß nicht, aufgegangen …«
»Ja?« Es fiel ihm schwer, die Erregung nicht durchklingen zu lassen. »Und dann …?«
Bevor der Hexer weitererzählen konnte, zuckte Ramsey zusammen, weil Beezles Stimme sich wieder in seinem Ohr meldete. »He, Sportsfreund, es kommt jemand …!«
Ramsey drückte sich auf ein Knie hoch und versuchte, sein Schwert aus der Scheide zu ziehen, was leider bedeutend kniffliger war, als es sich in Abenteuerfilmen darstellte. Er mühte sich immer noch damit ab, den Knauf aus den Falten seines Mantels freizubekommen, als Belmak der Bukanier und sein Freund, der Rote Filou, einstimmig keuchend in der Türöffnung erschienen.
»Potzblitz!« Belmak schien der Meinung zu sein, daß damit alles Wesentliche gesagt war, und beschäftigte sich wieder damit, nach Atem zu ringen. Nach einer ganzen Weile blickte der Rote Filou neben ihm auf.
»Der Fremde eilt … wie der Wind!« Der Filou machte eine ausladende Geste, die zeigen sollte, wie windeseilig Ramsey ihnen davongelaufen war und wie mannhaft sie sich um seine Verfolgung bemüht hatten.
Der leichenblasse Hexer wedelte ungeduldig mit den Fingern. »Sehr schön. Wir reden gerade. Ihr könnt wieder abzischen.«
Belmak glotzte fassungslos. »Was?«
»Du hast richtig gehört: Zieht Leine! Ihr könnt runter in die Taverne gehen und dort auf mich warten.«
»Da kommen wir doch grade her!«
»Es wird euch nicht umbringen. Haut ab!«
Belmak und der Rote Filou sahen aus, als ob es sie sehr wohl umbringen könnte. In einem plötzlichen Anfall von Mitgefühl zog Ramsey aus seiner Börse eine Münze, von der er ziemlich sicher war, daß sie kleiner war als ein Imperial, und warf sie dem Roten Filou zu, der sie beinahe gefangen hätte. Ein wenig getröstet hob der Glücksritter die Münze auf und stampfte wieder in die von Abfallfeuern erhellte Nacht
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