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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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nur das. Hast du gemerkt, daß sie auch nicht gleichzeitig gehen und reden können?«
    Es war zuviel. Er prustete los und mußte sich zusammenreißen, um vor Kichern nicht völlig zu vergehen. Wie mechanische Figuren in einem mittelalterlichen Glockenturm wandten sich Belmak und der Rote Filou langsam zu ihm um.
    »Sag an, was lachst du?« fragte der Rote Filou.
    »E-es ist nichts«, antwortete Ramsey japsend. »Mir ist nur grade ein Witz eingefallen.«
    »Potzblitz also«, sagte Belmak. »Wahrlich«, ergänzte er. Mit einem letzten mißtrauischen Blick drehte er sich wieder nach vorne. Der Rote Filou folgte seinem Beispiel, und unbeholfen wie Kleinkinder in Schneeanzügen setzten sich beide erneut in Bewegung. Da Ramsey sich die Augen wischte und damit zu tun hatte, nicht gleich wieder loszukichern, achtete er beim Hinterherbummeln nicht auf die steinerne Pferdetränke, die auf der Straße stand, bis er mit dem Knie unsanft dagegen stieß.
    Belmak hielt an und betrachtete den fluchend auf der Stelle hüpfenden Ramsey. »Madrikhor ist eine gefährliche Stadt«, bemerkte er.
    »Ja«, pflichtete der Rote Filou einen Moment später bei. »Fürwahr.«
     
    Nachdem er den beiden Strolchen über eine Stunde lang in einem so unglaublich langsamen Tempo gefolgt war, daß er sie rückwärts gehend hätte überholen können, fand er ihre Unbeholfenheit überhaupt nicht mehr komisch. Bei jedem trägen Schritt mußte Catur Ramsey gegen den aufsteigenden Ärger ankämpfen.
    Ein Pech auch, daß dieser Gardiner es nicht mit Science-Fiction hat. Wieso konnte er sich kein Szenarium aussuchen, wo jeder seinen kleinen privaten Atomraketenwagen hat oder sowas in der Art?
    Obwohl es auf Mitternacht zuging, war das Treiben in der Stadt nicht weniger emsig als bei Tageslicht, allerdings war es anders geworden. In einer virtuellen Welt voller Diebe, Mörder und Schwarzmagier, deren Alter egos in vielen Fällen längst schon im Bett hätten sein müssen, war es nicht verwunderlich, daß Madrikhor mit dem Einbruch der Dunkelheit einen Wandel von der pseudomittelalterlichen Urigkeit zur fiebrigen Horrorfilmatmosphäre durchmachte. Es gab kaum eine düstere Stelle, wo nicht jemand lauerte, kaum einen verborgenen Winkel, wo nicht außerhalb des Scheins der Straßenlaterne ein Handel geschlossen oder ein Verrat begangen wurde. Die Gestalten, die durch die windigen Straßen eilten, trugen wallende Umhänge, aber die Körperformen, die man erkannte, waren sehr phantasievoll, und in vielen der aus tiefen Kapuzen blickenden Augen funkelte ein Licht, das nicht eben menschlich wirkte.
    Es ist mehr wie Halloween als sonstwas, dachte Ramsey. Als ob jede Nacht im Jahr Halloween wäre. Obwohl er müde war und langsam griesgrämig wurde, konnte er doch nicht alles pauschal verurteilen. Zu den wenigen gleichbleibenden Dingen in seiner Kindheit hatten die Feiertage gehört, die sich nie viel verändert hatten, einerlei wo die Familie sie beging. Manchmal hatten sie in einer ganz normalen Siedlung statt auf einem Militärstützpunkt gewohnt, und die Halloweens dort waren die allerbesten gewesen.
    Eine dunkle Gestalt im wehenden Cape sprang hoch oben quer über die Gasse von Dach zu Dach, und plötzlich sehnte er sich nach den Halloweens zurück, nach dem fröhlichen Schrecken, den er empfunden hatte, wenn gewohnte Straßen finster und geheimnisvoll und vertraute Gesichter durch Masken und Schminke fremd geworden waren. Er wünschte auf einmal, er hätte sich als Kind mehr für solche Sachen wie Rollenspiele interessiert und zu einer Zeit, wo er sich noch voll auf Scheinwelten einlassen konnte, einen Ort wie Mittland gefunden. Jetzt konnte er nur ein Tourist sein. Wie Wendy und ihre Brüder, die mit dem Erwachsenwerden das Nimmerland des Peter Pan verloren hatten, war auch er über den Punkt hinaus, wo er noch einmal hineingekonnt hätte. Aber er konnte wenigstens nahe genug kommen, um den Verlust zu spüren.
     
    Der »Blaue Räuber« hatte schon in einem der weniger anheimelnden Viertel von Madrikhor gelegen, aber im Vergleich zu der Gegend, in die Belmak und der Filou ihn jetzt führten, war es dort geradezu paradiesisch gewesen. Sie befanden sich eigentlich gar nicht mehr in der Stadt, sondern waren in eine sich meilenweit erstreckende Elendssiedlung gekommen, deren Behausungen aus den schlechtesten und wertlosesten Materialien gebaut waren und aneinanderklebten wie die Waben in einem Bienenstock, auf den sich jemand gesetzt hatte.
    »Was zum Teufel ist das

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