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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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der unbemannten Reinigungsfahrzeuge der Stadt durch die glatten, spiegelnden Straßen, und dabei raste ihr Herz, als ob sie gerade einen Marathon gelaufen wäre. Ganz auf sich allein gestellt war sie im Begriff, ein milliardenschweres Ding zu drehen. Wenn sie das auf eigene Rechnung gemacht hätte, wäre das, wie andere in ihrer Branche sagten, ein Ruhestandscoup gewesen – sie hätte nie wieder arbeiten müssen.
    Bei der Rückkehr in den Loft stellte sie fest, daß das Suchgear seine Beute aufgespürt und seine Arbeit beendet hatte: Sie war in Jongleurs persönliches System eingehakt. Es gab natürlich noch einiges zu tun. Ohne weitere Hilfsmittel an der Hand hätte Dulcy Wochen gebraucht, um nur auf die einfachsten und banalsten Ebenen zu kommen, doch mit den Paßworten und anderen Insidertips von Dread konnte sie sich jetzt weiter vorannagen wie eine Maus durch die Hausleitungen in der Wand. Leicht war es immer noch nicht – die Sicherheitsmechanismen hinter dem virtuellen Spielplatz des uralten Krösus waren vertrackt, clever und anpassungsfähig –, aber da sie mit Dreads Informationen gewissermaßen eine fünfte Kolonne in dem belagerten System hatte, war der schwerste Teil damit geschafft.
     
    Ein Managementfreak wäre hier im siebten Himmel dachte sie, während sie sich genauer anschaute, was jetzt ausgebreitet vor ihr lag. Man könnte Tage – Wochen! – allein mit den Daten des Wartungs- und Pflegepersonals in seinem großen Turm zubringen. Und sieh dir das an! Private Wachmannschaften, ein ganzer Unterabschnitt! Er hat eine komplette Armee da draußen auf seiner Insel. Allein die Organisation der Unterkünfte braucht zehnmal soviel Speicherplatz, wie ich in meinem ganzen System habe!
    Doch selbst für die eleganteste Absaugaktion gab es natürlich irgendwo zeitliche Grenzen, und noch während sie auf der Woge ihres Triumphes schwamm, war Dulcy sich deutlich bewußt, daß die Sache sehr rasch brenzlig werden konnte.
    Dread sagt, daß Jongleur irgendwie unerreichbar ist, aber irgend jemand muß doch die Zügel in der Hand haben. Kein Mensch seilt sich einfach auf unbestimmte Zeit ab und läßt derweil ein Unternehmen mit Billionenumsätzen leer wie eine Waschmaschine zurück. Liebe Güte, wenn die J Corporation einmal ihre Löhne und Gehälter nicht zahlt, bricht der ganze Bundesstaat Louisiana zusammen.
    Während sie das unermeßlich ausgedehnte Innenleben des Konzerns betrachtete, zupfte auf einmal der Gedanke an Dreads versteckte Dateien an ihr wie die Hand eines Bettlers. Wieviel verbirgt er wohl vor mir? Wie weit kann ich ihm trauen? Ich setze bei dieser Sache mein Leben aufs Spiel – was ist, wenn er sich irrt? Wenn sein Boß ihm schon auf der Spur ist?
    Beim Blick auf Jongleurs Imperium hatte sie keinen Zweifel, daß Dread wenigstens in einer Hinsicht nicht gelogen hatte: Wenn sie wollten, konnten Jongleur und seine Kumpane sie so rasch und spurlos verschwinden lassen, als ob es niemals eine Dulcinea Anwin gegeben hätte.
    Nur meine Mama würde es irgendwann merken. Und sie würde drüber wegkommen.
    In gewisser Weise, wurde ihr klar, hatte Dread recht gehabt und sie nicht. Es war tatsächlich möglich, Informationen zu kopieren, ohne sie erst zu prüfen. Es war sogar unumgänglich. Es gab so viele Tausende von Dateien, die aussahen, als könnte Dreads recht allgemein gehaltener Auftrag auf sie zutreffen, daß sich der Kopierbefehl nur für ganze Blocks lohnte. Die Daten rasten dann durch die Hochgeschwindigkeitsleitungen zu dem von Dread angegebenen Speicherplatz, den er für sie vom Otherlandnetzwerk abgetrennt hatte, weil weder sie noch Dread irgendwo anders auch nur annähernd genug Kapazität gehabt hätten.
    Vor ihrem inneren Auge sah Dulcy sich selbst in einer dieser Spielshows im Netz – wie hieß die eine nochmal, MehrMehrMehr? –, wie sie voller Hast alles mögliche Zeug in Einkaufstaschen stopfte und dabei über die Objekte ihrer Gier ins Stolpern geriet, weil es zu viele waren und sie ganz allein.
    Sie arbeitete die ganze Nacht durch und merkte gar nicht, wieviel Kaffee sie konsumierte, bis sie endlich den Datenhaken herauszog und auf ihrem Bett kollabierte. Ihr ganzes Nervensystem schien aus kurzgeschlossenen, funkensprühenden Stromkabeln zu bestehen; drei zermürbende Stunden lang lag sie wach, bevor endlich der erlösende Schlaf kam.
     
    Falls sie auch dieses Mal von verschollenen Tieren oder Krankenhäusern geträumt hatte, so hatte sie jedenfalls beim Aufwachen keine

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