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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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den Fingern, prallte gegen einen Serviettenhalter und fiel auf den Boden. »Scheiße.«
    Viel mehr gab es nicht zu sagen.
     
     
    > Es war immer ein komisches Gefühl, irgendwo einzudringen. Irgendwie kam es ihr sehr männlich vor, was wahrscheinlich erklärte, warum die meisten Häcker und Cräcker Männer waren.
    Einbrecher auch. Und Entdecker. Und natürlich Vergewaltiger.
    Das erklärte zwar nicht, wie sie in die Riege paßte, aber Dulcy konnte die lustvolle Spannung nicht leugnen, die sie immer ergriff, wenn sie sich in ein fremdes System hineintastete.
    Ihr System kaute seine Maschinensprache, aber es kam nur zäh voran: Nicht nur hatte die J Corporation das ganze übliche hypermoderne Sicherheitsgear, sondern die wirklich wichtigen Sachen, die sie interessierten, waren zudem unter ungeheuren Massen von VR-Code begraben. Auch glich das Eindringen in die heiligen Hallen der J Corporation noch mehr einem richtigen Einbruch als im Normalfall, weil die Informationen tatsächlich als altmodische Aktenordner in Schränken dargestellt waren und die verschiedenen Sektionen des riesenhaften Systems als Zimmer in einem nahezu endlosen Bürohochhaus. Natürlich hatte Dulcy nicht vor, sich mit diesen Imitationen der wirklichen Welt abzugeben, aber sie sah sofort, daß sie, wenn sie wollte, mit ein paar Umstellungen das ganze Ding vor sich ausbreiten konnte wie ein Spiel, mit virtuellen Toren und Tresortüren und stählern blickenden Wachposten und dergleichen Zeug mehr. Hatte das nur den Grund, daß Felix Jongleur in den fünfzig Jahren, die er jetzt ausschließlich online lebte, sich die Zeit genommen hatte, alles mit einer netten, menschlichen Fassade zu versehen? Oder stand etwas Komplizierteres dahinter?
    Vielleicht ist er wie Dread, dachte sie. In technischen Dingen ein ziemlicher Analphabet, aber dennoch will er Zugang zu allem haben, weil er im Grunde niemand anderem traut als sich selbst. Das wäre gut vorstellbar, wenn die Geschichten über sein biblisches Alter stimmten, denn dann war Jongleur schon zu Beginn des Informationszeitalters ein alter Mann gewesen.
    Sie nahm sich vor, auf diese Fragen zu Jongleur ein andermal zurückzukommen, aber der Gedanke hatte ein paar interessante Funken geschlagen. Konnte etwas in der Art der Schlüssel zu Dreads verborgenem Speicher sein? Ein naheliegender äußerer Umstand, den eine Technophile wie Dulcy Anwin normalerweise niemals in Erwägung ziehen, ja auf den sie eventuell nicht einmal kommen würde? Mehrere Tage waren vergangen, seit sie auf das Versteck ihres Auftraggebers gestoßen war, aber es ließ ihr nach wie vor keine Ruhe.
    Nicht jetzt, sagte sie sich. Ich hab hier mit Jongleurs Dateien genug zu tun. Und ich will auf keinen Fall, daß Dread auf mich sauer wird.
    Nicht nur das, erkannte sie, sie wollte ihn beeindrucken. Seine Selbstsicherheit und Selbstbesessenheit weckten einen entsprechenden Drang in ihr, den Wunsch, sich zu beweisen.
    Selbst wenn er der härteste, kälteste Schweinehund auf der ganzen Welt ist, in die Dateien der J Corporation könnte er niemals allein reinkommen. Aber ich.
     
    Sie kam tatsächlich hinein, aber sie brauchte fast vierundzwanzig Stunden dazu.
    Es stellte sich heraus, daß mit keinem der Paßworte oder sonstigen intimen Details über das Gralsnetzwerk, die Dread ihr verraten hatte, viel anzufangen war. Sie mußte auf altbewährte Methoden zurückgreifen und war froh, daß sie dafür Vorsorge getroffen hatte. Doch selbst das beste Gear, das für teures Geld über dunkle Verbindungen zu haben war, ersparte ihr nicht das lange Warten. Sie unternahm mehrere Spaziergänge – alle kurz, obwohl sie sich nach frischer Luft und Sonnenschein sehnte, weil die Umgebung sie nervös machte – und rollte sich einmal für zwei Stunden zu einem unruhigen Schlummer zusammen, bei dem sie von langen Krankenhauskorridoren träumte. In dem Traum suchte sie nach einem verlorengegangenen kleinen Tier, aber die Korridore waren weiß und leer, und die Suche schien kein Ende zu nehmen.
    Als ihr spezieller Krypton-Gearknacker endlich das Loch fand, das sie brauchte, sprang sie vom Stuhl auf, klatschte in die Hände und juchzte, aber das Hochgefühl nach dem Adrenalinstoß hielt nicht lange an. Tatsächlich war ein Einbruch in das Informationssystem der J Corporation in gewisser Hinsicht schlimmer als der quälende Krankenhaustraum. Dort hatte sie wenigstens nach irgend etwas gesucht, wenn es auch schwer zu finden gewesen war; hier jedoch brachte ihr der

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