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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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einsperren können, aber ich habe die Lüftung auf dem Geschoß ausgeschaltet, und bis die Gase verflogen sind, wird eine ganze Weile dauern.«
    »Ich wünschte, sie wärn alle umgekommen«, sagte Joseph.
    Jeremiah schüttelte den Kopf und wandte sich ab. »Ein schrecklicher Tod.«
    »Was meinst du, was sie mit uns vorhaben?« fauchte Joseph giftig. »Uns zu ’nem Braai einladen? Steaks grillen, paar Bierchen köpfen?«
    »Ich muß mich jetzt bis auf weiteres verabschieden«, verkündete Sellars. »Aber ich melde mich wieder. Ein paar Tage Atempause müßtet ihr gewonnen haben.«
    Nachdem der Lautsprecher verstummt war, nahm Joseph das feuchte Tuch vom Mund, legte es aber gleich wieder vor.
    »Atempause, pfff«, krächzte er. »Er soll mal dafür sorgen, daß die Luft hier drin besser wird.«
    »Die Lüftung arbeitet noch«, sagte Del Ray. »Ich denke, die Luft wird besser werden. Aber wir sollten das Feuer ausmachen.« Er griff sich einen der Feuerlöscher, die sie vorsorglich bereitgestellt hatten.
    Joseph tat es ihm umgehend nach. »Wie sieht’s bei Renie und dem kleinen Mann aus?« rief er nach hinten zu Jeremiah.
    Jeremiah Dako schob kurz die Schutzbrille hoch, um die Anzeigen auf der Konsole ablesen zu können. »Alles gleichbleibend. Sie atmen bessere Luft als wir.«
    »So, und was machen wir jetzt?« fragte Joseph, während er einen großen Feuerlöscher vom Boden aufhob. Rauch ringelte sich um seine Schuhe, aber der größte Teil der Wolke wurde weiter in den Luftschacht gesaugt, dessen Gitter samt der Wand darum vollkommen verrußt war.
    »Was wir die ganze Zeit schon machen«, entgegnete Jeremiah. »Warten.«
    »Scheiße«, sagte Joseph. Er spritzte einen weichen Schaumstrahl auf die Flammen. »Hab ich das vielleicht satt. Wieso kann dieser Sellars den ganzen Berg hier aufn Kopf stellen, aber mir nich mal ’ne verdammte Flasche Wein schicken?«
     
     
    > Es war natürlich ein Traum. Keiner von denen, die ihr Leben aus dem Gleis geworfen hatten, nicht die Rückkehr der Kinder nach langem Stillschweigen, sondern nur ein ganz normaler Traum.
    Es war Nacht, und Aleksander stand bei ihr in Juniper Bay vor der Haustür. Er wollte, daß sie ihn einließ, weil er etwas vergessen hatte, doch obwohl sie im fahlen Licht der Straßenlaterne seinen Schattenriß sehen konnte – im Traum war ein Fenster neben der Tür –, war sie sich unsicher. Immer wieder rief er ihren Namen, nicht als ob er Schmerzen hätte oder wütend wäre, sondern mit seiner üblichen ungestümen Geschäftigkeit, diesem Gebaren, daß er etwas Wichtiges zu tun hatte, aber von einer trödeligen Welt mit ihren tausend banalen Hindernissen davon abgehalten wurde.
    Er konnte oder wollte ihr nicht sagen, was er vergessen hatte. Durch ihre Unschlüssigkeit in helle Aufregung versetzt durchstöberte sie Schubläden und Schränke, um nur ja dieses wichtige Ding zu finden, das seine Weiterreise – wohin? – verzögerte, aber nirgends, wo sie suchte, konnte sie etwas finden, das ihr so aussah.
    Als sie aufwachte, plapperte der Wandbildschirm und war die Lücke zwischen den Motelvorhängen stockdunkel. Sie war mitten am Nachmittag auf dem Bett eingeschlafen, und jetzt erhellte nur noch das Licht vom Bildschirm das Zimmer. Achtlos war sie eingenickt, ohne die Vorhänge ganz zuzuziehen. Jedermann hätte sie durchs Fenster beobachten können.
    Aber wer wollte das schon?
    Sie stand auf und machte die Vorhänge zu, dann begab sie sich zurück zur warmen Mulde des Bettes. Als sie sich hinsetzte und sich damit abzufinden suchte, daß sie nun einmal wach war, fehlte ihr plötzlich etwas. Es dauerte ein Weilchen, bis sie merkte, daß es Mischa war, der sich zuhause neben ihr zusammengerollt hätte oder eher noch auf ihrem Schoß. Immer hatte er sich mit seinem ganzen kleinen Körper vertrauensvoll auf sie gebettet.
    Nie wieder. Tränen traten ihr in die Augen.
    Im Hintergrund schwafelten immer noch die Nachrichten, Meldungen von plötzlicher Instabilität auf den Finanzmärkten, von merkwürdigen Gerüchten, vom mysteriösen Verstummen bedeutender Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft. Es war schwer, sich davon betroffen zu fühlen. Oder vielmehr, es war zu schwer, das wirklich aufmerksam zu verfolgen und an sich herankommen zu lassen, weil dann die Betroffenheit zu weh tat. Früher hatte sie jeden Abend die Nachrichten geguckt, aber die alltägliche Leier der Schreckensmeldungen hatte in ihr das Gefühl erzeugt, daß sie und die ganze menschliche

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