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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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die größte Christin unter der Sonne, aber Gottes Segen wünsch ich euch trotzdem.« Sie drehte sich abrupt um und ging wieder hinein.
    »Ich werde euch nicht die Hand geben«, sagte Masterson. »Ich kann einen solchen Wahnsinn nicht gutheißen. Aber ich schließe mich Annie an und wünsch euch viel Glück. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, wo soviel Glück zu finden wäre, wie ihr bräuchtet. Titus, sieh zu, daß wenigstens du heil wiederkommst.«
    »Was … was werdet ihr mit dem Gefangenen machen?« erkundigte sich Paul.
    »Mit Rücksicht auf zärter besaitete Naturen«, antwortete Masterson, »will ich’s mal so sagen: Wir werden ihm kein Ehrenbankett ausrichten. Aber es wird viel kürzer und schmerzloser sein, als was euch unten in Dodge blüht, wenn seine Sippschaft euch in die Finger kriegt.« Er neigte den Kopf, tippte vor Martine und Florimel an den Hut und schritt mit dem restlichen schweigenden Abschiedskomitee zurück in die Höhle.
    »So, und mit dieser rosigen Aussicht vor Augen«, meinte Titus, »sollten wir uns auf die Socken machen. Bleibt dicht bei mir, und seid leise. Wenn ich meine Hand hochhalte, so, dann bleibt stehen – nix sagen, einfach stehenbleiben. Kapiert?«
    Unten im Tal lag der Fluß bei ihrem Aufbruch bereits im Dunkeln, und schwarzviolette Abendschatten streiften die Flanken der Berge gegenüber. Paul, der die Nachhut bildete, konnte seine Gefährten kaum erkennen, obwohl der nächste nur wenige Meter vor ihm ging.
    Wie viele Welten? sinnierte er. Wie viele Welten fallen gerade unter die Herrschaft des Dunkels?
    Er konnte sich jedoch nicht allzu lange und gründlich mit dieser Frage befassen, denn der Hang, den sie hinunterstiegen, war steil, und sie befanden sich mehrere hundert Meter über der Talsohle.
     
    Selbst mit dem flotten, ortskundigen Titus an der Spitze kamen sie nicht sehr schnell voran. Florimels verletztes Bein hielt sie auf, und ohne die Vorstellung, er befände sich in einem bekannten Netzspiel, schien T4b den Höhen nicht mehr viel abgewinnen zu können. Die Nacht war beinahe halb verstrichen, ehe sie die Feuchtigkeit des Flusses in der Luft fühlten, auch wenn sie ihn schon eine ganze Weile hatten rumoren hören.
    Titus war wortkarg, aber während der kurzen Ruhepausen, die sie einlegten, erzählte er ihnen ein wenig aus seinem Leben, von seiner Kindheit in Maryland als Sohn eines befreiten Sklaven und von seinem persönlichen Ausbruch nach Westen. Er hatte hauptsächlich als Viehtreiber gearbeitet – Paul hatte von der Existenz schwarzer Cowboys nie gehört gehabt, aber Titus sagte, im ganzen Südwesten gäbe es Tausende von seiner Sorte. Er hatte einen Viehtrieb von Texas bis zum Verladebahnhof in Dodge City mitgemacht und war in der Nacht, als die Erde verrückt spielte, in der Stadt gewesen, um seinen Lohn auf den Kopf zu hauen.
    »Das Schrecklichste, was ich je gesehen hab.« Er war im Mondschein beinahe unsichtbar, doch seine schiefen Zähne blitzten einen Moment auf, als er sich einen Priem Tabak in den Mund schob. »Noch schlimmer als die ganze Masse von gleich aussehenden Rothäuten, die später schreiend und johlend über uns hergefallen is. Alles hat gebebt, dann is einfach das Land hochgegangen. Erst denk ich, wir sinken in die Erde rein, aber dann seh ich, daß überall um uns rum Berge aus dem Boden schießen, als wären’s Schilfhalme im Ried. Ich dachte, das is jetzt das Jüngste Gericht, wie meine Mama’s mir beigebracht hat. Vielleicht stimmt’s ja. Vielleicht is jetzt das Ende der Tage. Das glauben viele.«
    Und für sie trifft das auch zu, dachte Paul. Aber wenn sie alle tot sind, werden sie dann wieder aufstehen und von vorne anfangen wie die Leute in der Carrollschen Schachbrettwelt? Oder hat Dread diese Simulation im permanenten Verfallsstadium eingefroren?
    Titus hatte recht, die Berge waren einfach aus dem Boden gesprossen wie Unkraut. Weiter unten im Tal gab es keine Vorhügel, keine Abflachung des Steilhangs, nur Aufschüttungen von Felsbrocken und Geröll direkt am Fuß der Berge. Dieser Teil des Weges war der schwierigste, denn jeder Schritt drohte einen Steinschlag auszulösen, daher nahm Paul die Feuer von Dodge City erst richtig wahr, als sie tatsächlich unten in der Flußebene angekommen waren, obwohl er das Leuchten schon eine Weile bemerkt hatte.
    »Großer Gott«, sagte Florimel leise. »Was haben sie gemacht?«
    »Was sie mit euch auch machen werden«, flüsterte Titus. »Und mit mir auch, also seid still!«
    Er

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