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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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wohltuend vertraut inmitten von soviel Unbekanntem.
    »Olga? Wie sieht’s aus?«
    »Ganz gut, solange meine Anleiterin auf dem Schiff nicht allzu eifrig nach mir sucht. Aber die arme Frau sah fix und fertig aus. Das hier ist harte Arbeit, weißt du. Mir tun sämtliche Glieder weh, und meine Hände sind aufgesprungen – schon nach einem Tag!«
    »Ich werde meiner Raumpflegerin in diesem Jahr ein sehr viel höheres Weihnachtsgeld zahlen, das verspreche ich«, sagte Ramsey, doch der witzelnde Ton gelang ihm nicht sehr überzeugend. So todernst, dachte Olga. Und selbst wenn es wirklich das Ende der Welt ist, warum so todernst?
    »Wenn du als Jude geboren wärst wie ich«, bemerkte sie, »hättest du gelernt, mit solchen Situationen umzugehen.«
    Verdattertes Schweigen am anderen Ende. »Ich habe keine Ahnung, was du damit meinst, Olga. Immer schaffst du’s, daß ich mich wie ein Hornochse fühle. Aber ich bin froh, daß dir nichts passiert ist. Und ich bin stolz auf dich. Sellars möchte dich sprechen.«
    »Hallo, Olga«, meldete sich der alte Mann. »Ich schließe mich meinem Vorredner an. Ich habe vielleicht nicht viel Zeit, deshalb erkläre ich dir einfach soviel, wie im Augenblick möglich ist. Schreib nichts auf, nur für den Fall, daß du aufgegriffen wirst.«
    »Keine Bange«, erwiderte sie von ihrem Platz im Dunkeln aus und wunderte sich ein wenig darüber, wie sie hier lautlos mit Leuten plauderte, die ebensogut auf einem anderen Planeten hätten sein können. »Ich habe nicht mal mehr die Kraft, einen Stift zu halten.«
    »Leider wirst du zumindest das, was in deinem Rucksack ist, halten müssen. Würdest du es bitte herausholen?«
    »Die Schachtel?«
    »Genau.«
    Sie tastete im Rucksack herum, bis sie ihre Taschenlampe gefunden hatte, dann holte sie den Militärproviant heraus, den Ramsey – oder eigentlich Sorensen, vermutete sie – ihr besorgt hatte, Verpflegung für mehrere Tage, die weniger Platz beanspruchte als normales abgepacktes Essen. Sorgfältig stapelte sie die Päckchen neben sich auf. Es gab auch eine Flasche Wasser, die ihr ein bißchen überflüssig vorkam in einem Gebäude, in dem es wahrscheinlich tausend Wasserspender gab. Ganz unten fand sie die eingepackte Schachtel mit dem Etikett eines gängigen Schilddrüsenmittels und einem Zettel, auf dem in Olgas Handschrift stand: »Zwei nach jeder Mahlzeit.«
    »Ich habe es gefunden.«
    »Mach es bitte auf. Ich muß einen kleinen Test vornehmen.«
    Sie wickelte die Schachtel aus, ganz vorsichtig, damit sie ihr hinterher wieder das gleiche harmlose Aussehen geben konnte, und zog ein schmales graues Rechteck hervor, so groß wie ihr Handteller. Es war eigenartig schwer, und sie beäugte es mißtrauisch. »Ich hab’s.«
    »Sag mir, was passiert«, forderte Sellars sie mit sanfter Stimme auf. Im nächsten Moment leuchtete an der Seite ein kleines rotes Licht auf.
    »Ein rotes Licht ist angegangen.«
    »Gut. Ich wollte nur sicher sein. Du kannst es jetzt wieder einpacken und wegstecken, Olga.«
    Ihr Argwohn war noch nicht ausgeräumt, als sie es wieder zusammen mit dem Proviant verstaute und zuletzt ihren Pullover darüber stopfte. »Ist das Ding … ist es eine Bombe?« fragte sie schließlich.
    »Eine Bombe? Liebe Güte, nein.« Sellars klang verwundert. »Nein, wir wollen keinesfalls das System zerstören – das Leben von Mitstreitern hängt davon ab. Das wäre, als würde man eine Bombe auf ein Haus werfen, in dem Geiseln festgehalten werden. Nein, Olga, das ist eine sogenannte Vampirklemme, eine besondere Anzapfung, an die ich mit Hilfe des Majors herangekommen bin. Wenn wir wirklich finden, wonach wir suchen, werde ich vermutlich mit sehr viel höherem Tempo als jetzt senden und empfangen müssen, um etwas auszurichten.«
    »Das beruhigt mich.«
    »Die Wasserflasche hingegen, die ist eine Bombe.« Er gab leise, luftige Kichertöne von sich. »Aber eine sehr kleine, die nur Rauch erzeugt. Zur Ablenkung. Ts-ts, jetzt hätte ich beinahe vergessen, dir das zu sagen.«
    Ich bin aus der Wirklichkeit ausgestiegen, schien es Olga. Ich dachte, die Traumkinder wären verrückt. Das hier ist noch verrückter.
    »Nun gut«, sagte Sellars. »Hör genau zu, ich werde dir erklären, was du als nächstes tun mußt. Wir haben weniger als drei Tage, bevor sie darauf kommen werden, daß etwas nicht stimmt – das heißt, falls alles optimal läuft. Es sind weiterhin Leute im Haus, und du solltest dich ab sofort von niemandem mehr sehen lassen. Ich werde dir

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