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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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– wieso hat die vorher nie ein Mensch gesehen? Deshalb denk ich, es is das Gericht.«
    »Mit den Schlangen hier in der Gegend haben wir schon Bekanntschaft gemacht«, sagte Paul. »Was ist mit der andern Seite, östlich um die Stadt rum?«
    »Auch nich zu empfehlen. Unmittelbar hinter der Stadt stürzt der Arkansas zack nach unten«, er klappte seine langen Finger senkrecht ab, »und der Canyon, wo der Wasserfall reinfällt, is so tief, daß es auf dem Grund selbst am Mittag stockdunkel is. Der Canyon zieht sich meilenweit in die Richtung. Was meint ihr, wieso wir alle da am Berg hockenbleiben, statt uns schleunigst aus dem Staub zu machen?« Er stand auf. »Ihr hätt’ auf Masterson hören und bei uns bleiben sollen. Er is’n anständiger Kerl und hat mehr Grips im Kopf als die meisten. So, und jetzt werd ich mich verziehen. Paßt mir gar nich, so nah an Dodge dran zu sein.«
    »Warte noch«, sagte Florimel mit einem Unterton von Panik in der Stimme. »Sollen wir einfach … über die Brücke gehen?«
    »Wenn ihr’s gar nich erwarten könnt, euern Skalp loszuwerden, nur zu. Ein kleiner Trupp von den Teufeln sitzt Tag und Nacht da Wache. Aber wenn ihr das Ganze noch’n bißchen rauszögern wollt, schlag ich vor, ihr watet so hundert Meter vor der Brücke durch den Fluß. Der Arkansas is um die Jahreszeit ruhig und seicht, selbst bei dem ganzen Tohuwabohu hier.«
    Er salutierte ironisch und verschwand dann in der Dunkelheit, lautlos wie ein entfliegender Vogel.
    »Alle Welt scheint sich verdammt sicher zu sein, daß wir draufgehen«, sagte Paul leise.
    »Alle Welt hat wahrscheinlich recht«, knurrte Florimel.
     
    Der Arkansas war zwar nirgends mehr als hüfttief, fühlte sich aber irgendwie unheimlich an, warm und ölig. Der Fluß hatte sogar einen überraschenden tieferen Sog, der trotz der Trägheit der Strömung unentwegt an den vieren zerrte wie ein Bettler, der sein gutmütiges Opfer gefunden hatte und nicht mehr lockerließ.
    Paul spürte, daß er nicht allzusehr über das Wasser nachdenken wollte, nicht nur wegen des unangenehmen Gefühls, sondern auch weil er sich dann unwillkürlich die vielen verschiedenen Geschöpfe vorstellte, die möglicherweise aus dem von Titus erwähnten Sumpf angeschwommen kamen.
    Weit rechts von ihnen am Flußufer, erleuchtet von einer weiteren Gruppe hochschlagender Brände, zeichnete sich eine massive Umzäunung ab, die ursprünglich, vermutete Paul, wohl ein Viehpferch gewesen war. Trotz der späten Stunde klang es, als würde dort immer noch mit dem Brandeisen gearbeitet, obwohl den wortlosen, aber dennoch unverkennbaren Schreien zu entnehmen war, daß die Opfer keine Rinder waren.
    Nicht alle Stimmen schrien vor Schmerz. Als eine Woge von Grölen und Gelächter aus dem Viehhof schwappte, sah Paul, wie Martine taumelte und beinahe ins Wasser fiel. Er packte sie am Arm und stützte sie.
    »Daß ich diese Stimme nochmal hören muß«, hauchte sie, die Augen fest zugepreßt, als ob sie sich mit gesteigerter Blindheit taub machen könnte. »Aus so vielen Mündern und von allen Seiten …«
    »Es ist eine Täuschung. Es sind bloß schlechte Kopien, das hast du selbst gesagt. Er ist in Wirklichkeit gar nicht hier.« Aber stimmte das, fragte er sich, oder war es bloß Wunschdenken? Vielleicht hatte Dodge City einen neuen Sheriff.
    Etwa fünfzehn Meter vom Ufer entfernt faßte Martine abermals Pauls Arm. Zunächst dachte er, das Schauspiel überstiege nun doch ihre Kräfte, doch obwohl ihr Gesicht Anspannung verriet, war sie aufmerksam, lauschte, prüfte.
    »Titus hat recht gehabt«, zischte sie. »Es sind Männer auf der Brücke.«
    »Deshalb gehen wir ja durchs Wasser«, erwiderte Paul, doch er winkte T4b und Florimel, stehenzubleiben.
    »Aber direkt vor uns am Ufer sind auch welche«, sagte sie. »Nicht so nahe, daß wir sie hören können, aber ich spüre sie. Wenn wir aus dem Fluß steigen, laufen wir ihnen geradewegs in die Arme.«
    »Und was sollen wir tun?« Paul hatte Mühe, seine eigene Panik unter Kontrolle zu halten. Schreie der Qual und des Schreckens schallten durch das Tal und wurden diffus von den Bergwänden zurückgeworfen. »Doch nicht etwa umkehren!«
    »Nach Westen«, sagte Martine entschieden. »Wir bleiben im Fluß und gehen unter die Brücke. Da sind wir näher an der Stadtseite, auf die wir wollen, und müssen nicht so weit über offenes Gelände.«
    »Du hast doch gesagt, es wären Männer auf der Brücke«, flüsterte Florimel nahe herangebeugt. »Was

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