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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Pack-an haben will«, meinte Wells jovial. »Und Tatsache ist, daß Mister Dread im Augenblick alle Trümpfe in der Hand hat. Was bedeutet, daß ich stolz bin, in seinem Team mitmischen zu dürfen.«
    »Und … und du schaust also nur untätig zu und läßt ihn alles machen, was er will?« schnaubte Paul. »Das Netzwerk zerstören, vergewaltigen und morden und Gott weiß was noch alles …?«
    »Kurz gesagt, ja«, erwiderte Wells. »Aber er wird das Netzwerk nicht zerstören. Er will ewig leben, genau wie alle andern auch. Genau wie ich.« Er drehte sich um und klopfte an die Tür. »Aber er wird sehr bald zurück sein, unser gnädiger Herr Anubis, und wird euch ganz bestimmt gern alles höchstpersönlich erklären.«
    Die schwere Tür schwang auf und gab den Blick frei auf ein Trio kahlgeschorener Wächter mit ölglänzenden Muskelpaketen. Krachend fiel die Tür hinter Wells wieder ins Schloß, und der Riegel wurde vorgeschoben.
    »Dread hat uns!« Martine klang vollkommen aufgelöst. »O Gott, dieser Teufel hat uns!«
     
    Erschöpft, todunglücklich und mit Fesseln gebunden, die bei jeder Bewegung ins Fleisch schnitten, verspürten weder Paul noch seine Gefährten große Lust zum Reden. Eine knappe Stunde verging, bevor der Riegel knirschte und die gelbe Fratze von Robert Wells wieder in der Tür erschien.
    »Hoffe, ihr unterhaltet euch gut«, sagte er. »Vielleicht mit fröhlichen Fahrtenliedern oder so? Michael, row the boat ashore …?« Sein Grinsen, ja überhaupt sein ganzes Auftreten, fand Paul, wirkte regelrecht geisteskrank. »Ich habe ein paar Kumpels von euch mitgebracht.« Zwei breitschultrige Wächter betraten den Raum, jeder eine leblos wirkende Gestalt am Schlafittchen. Als sie die Gefangenen losließen, sackten diese zu Boden. Die kleine, rundliche Frau in zerfetzten ägyptischen Gewändern kannte Paul nicht, aber beim zweiten Hinschauen erkannte er das Gesicht des Mannes, obwohl es blutig und zerschunden war.
    »Nandi …?«
    Der Angesprochene schielte mit geröteten und geschwollenen Augen in seine Richtung. »Verzeih mir … Ich … dachte nicht …«
    »Jawohl!« sagte Wells. »Er dachte nicht, daß du wirklich hier sein könntest, ansonsten hätte er vielleicht über das Zusammentreffen mit dir den Mund gehalten.« Die gelbe Maske nickte. »Ich habe ein Weilchen gebraucht, um zwei und zwei zusammenzuzählen. Dann wurde mir klar, daß es ein ziemlicher Zufall wäre, wenn du ein anderer Paul wärst als der, über den dieser Herr uns so bereitwillig Auskunft gegeben hat.«
    »Du Scheusal!« Nandi Paradivasch machte Anstalten, auf Wells zuzukriechen, aber wurde vom nächsten Wächter mit einem brutalen Fußtritt wieder zu Boden befördert, wo er würgend und keuchend liegenblieb.
    »Paul Jonas.« Wells betrachtete ihn mit einem Funkeln in den Augen. »Oder ›X‹, wie ich dich lange genannt habe – Jongleurs geheimnisvolles Experiment. Erst hatte ich einen Namen dazu, jetzt habe ich ein Gesicht.« Er verschränkte seine verbundenen Arme vor der Brust. »Und bald werde ich noch viel mehr haben. Du kannst alles erklären. Es hat zwar nicht mehr viel zu besagen, jetzt, wo Jongleur tot beziehungsweise als vermißt gemeldet ist, aber dennoch, es interessiert mich.«
    Paul blitzte ihn streitbar an. »Selbst wenn ich etwas wüßte, würde ich dir nichts verraten. Aber ich weiß nichts – mein Gedächtnis wurde vollkommen gelöscht.«
    »Dann wirst du mir vielleicht nochmal dankbar sein.« Wells schmunzelte. »Wenn ich dir helfe, dich zu erinnern.« Er schnippte mit den Fingern, und die Wächter traten prompt vor und griffen sich Paul wie einen zusammengerollten Teppich. Er hatte keine Zeit mehr, seinen Gefährten eine Durchhalteparole zuzurufen, nicht einmal einen Abschiedsgruß, so rasch wurde er durch einen von Fackeln erhellten Gang abtransportiert. Wells’ Stimme hallte ihnen hinterher.
    »Ich komme gleich nach, Jungs. Achtet darauf, daß er gut gefesselt bleibt. Ach ja, und schärft die nötigen Sachen, ja?«
     
     
    > »Code Delphi. Hier anfangen.
    Ich hatte nicht erwartet, diese Worte noch einmal zu sagen.
    Ich hatte mich schon davon überzeugt, daß es im Angesicht des so gut wie sicheren Todes reiner Wahnsinn wäre, dieses Journal fortzuführen, ein Journal, das niemand außer mir jemals finden wird, selbst wenn dieses Netzwerk weiterbesteht. Denn diese Diktate spreche ich nur für den unwahrscheinlichen Fall ins Leere, daß ich einst aus einer mir gegenwärtig unvorstellbaren Zukunft auf

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