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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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abspielte, mußte es so weit bringen, daß die Wände überhaupt keine Rolle mehr spielten, daß die Signatur der simulierten Hindernisse nur eine von vielen Informationen war. Ich mußte lernen, durch die Wände zu blicken, nicht auf sie, um es in die Sprache des Gesichtssinnes zu übersetzen.
    Es dauerte lange, doch als es geschah, da ganz plötzlich – eine ruckartige Umstellung der Wahrnehmung, und auf einmal fühlte ich, wie die Information Schicht für Schicht vor mir ausgelegt war, und die Information der Wächter draußen im Gang hatte den gleichen Stellenwert wie die meiner Gefährten in der Zelle. Einer von ihnen kratzte sich am Kopf. Ich lachte. Es war ein bißchen so, wie wenn man hinter einen bestimmten Trick kommt, so wie in meiner Kinderzeit, als ich eines Tages ohne Stützräder mit dem Rad fahren konnte. Ich dehnte vorsichtig meinen Radius aus, sondierte die äußere Festgefügtheit der Wandinformation auf der anderen Seite des Ganges und glitt dann gewissermaßen hindurch, um andere Gänge und Räume zu erkunden.
    Diese Fähigkeit ist durchaus nicht unbegrenzt. Je weiter von mir entfernt der Punkt ist, auf den ich mich richte, und je mehr Barrieren ich durchqueren muß, um so unzuverlässiger wird die Information. In hundert Metern Abstand von unserer Zelle war die Signatur eines Menschen – eines Sims, der vorgab, ein Mensch zu sein, heißt das – wenig mehr als eine ungefähr menschenähnliche Gestalt, kenntlich vor allem an den Bewegungen. In der doppelten Entfernung waren nur noch unspezifische Bewegungen wahrzunehmen. Ich ließ meine Aufmerksamkeit schweifen und stieß auf mehrere Konzentrationen menschlicher Gestalten und diffuser Bewegungen, die alle Paul und seine Folterer hätten sein können, doch für eine sichere Identifizierung waren sie zu weit weg.
    Ich schickte meine Wahrnehmung weiter nach außen und suchte nach dem Energieschatten eines Gateways, dem Eindruck, der bestehen bleibt, auch wenn das Gateway sich geschlossen hat. Ich fand schließlich einen, der sich direkt am Rand oder knapp außerhalb des Tempelpalastes zu befinden scheint, doch diesmal verspürte ich einen Druck im Kopf. Ich kehrte in die Zelle und zu meinen Gefährten zurück und berichtete ihnen, was ich entdeckt hatte. Ich stellte Nandi ein paar Fragen, und seine Antworten bestätigten ihn als einen Experten für die inneren Übertragungsmechanismen des Netzwerks, genau wie Orlando gesagt hatte. Bewaffnet mit seinen zusätzlichen Angaben konzentrierte ich mich abermals auf das Gateway.
    Diesmal war es schwieriger. Ich war müde, und mir brummte der Schädel, aber ich mußte das Gateway überprüfen, um sicher zu sein, daß es funktionierte. Doch obwohl es offen und betriebsbereit zu sein schien, kam ich seltsamerweise nicht an die üblichen Gatewayinformationen heran. Wenigstens machte es den Eindruck, als könnte es uns an einen anderen Ort befördern, und das ist im Augenblick unser dringlichstes Anliegen.
    Nachdem ich den anderen das erklärt hatte, übermannte mich die Erschöpfung, und ich schlief wie eine Tote. Als ich vielleicht eine Stunde später wieder aufwachte, war das kleine bißchen Zuversicht, das meine Mitteilung in den anderen geweckt hatte, wieder der dumpfen Trostlosigkeit gewichen, denn solange wir in einer Zelle eingesperrt waren, konnte uns auch ein nahes Gateway nicht mehr helfen als eines auf dem Mond.
    Obwohl mir war, als bestände mein Schädel aus altem, brüchigem Glas, entschloß ich mich noch zu einem anderen Versuch. Wir hatten – nein, wir haben nur noch wenig Zeit. Ich konnte es mir nicht erlauben zu warten, bis es mir wieder besser ging, denn Dread kann jeden Moment auftauchen, aber ich wollte auch niemandem Hoffnungen machen.
    Mit diesem letzten Versuch hatte ich zwar einen gewissen Erfolg, doch besteht weiterhin wenig Anlaß zur Hoffnung.
    Abermals öffnete ich mich. Eine Weile fürchtete ich schon, ich hätte den Trick wieder verlernt und die Mauern würden fest und undurchdringlich bleiben, doch ich dachte an !Xabbu und wurde ruhig, und schließlich kam die Umstellung. Ich dehnte mich aus, nicht in eine bestimmte Richtung, sondern ganz allgemein, und ließ meine Aufmerksamkeit durch die Informationsmuster hindurch diffus nach außen fließen. Ich suchte nach etwas weniger Konkretem als der Signatur eines Gateways, und je weiter weg von der Zelle mich meine Erkundungen führten, um so schwerer wurde es, die Informationen einzuordnen.
    Ich hatte schon beinahe aufgegeben, als

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