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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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wieso sehen wir dann Jongleur und Azador nicht vor uns …? !Xabbu ?« Sie blieb stehen. » !Xabbu ?«
    Selbst der Lichtpunkt verdüsterte sich jetzt, als ob vom Fluß Nebel hereintrieb und den überdachten Raum füllte. Sams Herz machte einen Sprung. Sie fuhr herum, aber auch hinter ihr war kein Licht mehr zu sehen. » !Xabbu ? Wo bist du?«
    Sie hörte nur noch das Klopfen ihres Herzens und das leise Knarren der Bohlen unter ihren Füßen. Die Dunkelheit war so drückend, so stark, daß Sam sich von ihr umfangen fühlte wie von einem lebendigen Wesen. Sie streckte die Hände nach den Seitenwänden der Brücke aus, doch ihre Finger fühlten nur kalte Luft. Entsetzt ging sie weiter vorwärts, oder was sie für vorwärts hielt, zuerst langsam, doch schon bald gab sie die Vorsicht auf, und aus dem Gehen wurde ein Zuckeltrab und dann ein halsbrecherischer Lauf.
    Sie rannte direkt in eine eisige Umklammerung hinein, die so stark war, daß sie körperlich weh tat.
    Eine Furcht, die nicht ihre eigene war, packte sie wie eine dunkle Riesenfaust. Im Bruchteil einer Sekunde fraß sich die tödliche Kälte in sie hinein, betäubte ihren Körper, löschte ihn aus, bis nichts mehr davon übrig war als ein winziges Flämmchen, ein Gedanke, ein Hauch, der sich verzweifelt gegen das alles erstickende Nichts wehrte.
    Das hab ich doch schon mal erlebt – in diesem Tempel in der Wüste. Aber ich hatte vergessen, wie … wie furchtbar das war …!
    Sie war nicht allein. In irgendeiner Weise fühlte sie !Xabbu und sogar Jongleur, als ob sie beide in der Dunkelheit durch einen wackelnden, versagenden Stromkreis mit ihr verbunden wären, fühlte, wie !Xabbu in der Leere versank, wie Jongleur aufschrie und nach der Schwärze faßte, als wollte er sie in eine besser begreifbare Form ziehen, doch es war nur ein kurzes Aufblitzen. Dann waren die anderen fort, und sie blieb allein als verlöschendes Fünkchen zurück.
    Laß mich gehen, dachte sie, aber es schien nichts zu geben, das sie hören konnte oder hören wollte.
    Die Kraft, die sie festhielt, drückte mit aller Macht zu, und die Leere hüllte sie ein und zog sie nach unten …
     
    Es war der Park bei ihrem alten Haus, den sie seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte, aber die Schaukeln und das Klettergerüst waren ihr immer noch so vertraut wie ihre eigenen Hände. Sie saß am Rand des Spielbereichs im hellen Sonnenschein auf dem Rasen, scharrte mit den nackten Füßen im Sand und guckte sich die Muster an, die dabei entstanden, die Rindenmulchstückchen, die aus den Sandwellen herausschauten wie Treibholz auf einem gefrorenen Meer.
    Orlando saß neben ihr. Nicht der Barbarenheld Orlando, auch nicht der grotesk verhutzelte Kranke, der ihr manchmal in ihren dunkleren Phantasien erschienen war, nachdem sie von seiner Krankheit erfahren hatte, sondern der Orlando, den sie sich früher einmal vorgestellt hatte, der dunkelhaarige Junge mit dem dünnen, aufgeweckten Gesicht.
    »Er will dich nicht«, sagte Orlando. »Eigentlich ist ihm mittlerweile so ziemlich alles egal.«
    Sam starrte ihn an und versuchte sich zu erinnern, wie sie an diesen Ort gekommen war. Das einzige, was sie einigermaßen sicher wußte, war, daß Orlando tot war, und den Umstand anzusprechen, kam ihr nicht sehr nett vor.
    »Ich denke, wenn du kannst, solltest du lieber abhauen«, fuhr er fort, bückte sich dann und rupfte einen langen Grashalm ab.
    »Abhauen…?«
    »Von dort, wo du jetzt bist. Er will dich nicht, Sam. Er versteht dich nicht. Ich glaube, er hat längst jeden Versuch aufgegeben.«
    Der Boden bebte, nur ein wenig, aber Sam spürte es im Gesäß, als ob jemand der Welt einen kräftigen Schlag versetzt hätte, aber weit weg von ihnen. »Ich habe Angst«, sagte sie.
    »Kein Wunder.« Er lächelte. Es war genau das schiefe Grinsen, das er in ihrer Vorstellung immer gehabt hatte. »Hätte ich auch, wenn ich noch leben würde.«
    »Dann weißt du, daß …?«
    Er hielt den Grashalm zwischen den Fingern hoch und blies ihn fort. »Ich bin nicht wirklich hier, Sam. Wenn es so wäre, würde ich dich ›Fredericks‹ nennen, nicht wahr?« Er lachte. Ihrem liebevoll-mitleidigen Blick entging nicht, daß sein Hemd verkehrt zugeknöpft war. »Du redest quasi nur mit dir selbst.«
    »Aber wieso weiß ich, was … was er denkt?«
    »Weil du in ihm drin bist, du Oberscänner. Du bist in seinen Gedanken drin, könnte man vermutlich sagen, ganz tief. In seinen Träumen. Und im Moment ist das kein besonders lauschiges

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