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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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sein Freund? Er will alle Gralstypen umbringen. Hast du erwähnt, daß du ein klein bißchen was mit denen zu tun hast?«
    !Xabbu legte ihr eine Hand auf den Arm. Weiter hinten auf der diesigen Wiese hatte Azador sich umgedreht und sah zu ihnen hinüber. »Leise, Sam, bitte.«
    Jongleur sah aus, als wollte er ihr eine geharnischte Antwort geben, doch dann legte sich sein aufbrausender Zorn wieder oder wurde unterdrückt. »Ist es wichtig, was er von mir halten würde, wenn er Bescheid wüßte? Wir brauchen ihn. Dieser Teil des Netzwerks – vielleicht das ganze Ding – liegt gewissermaßen in den letzten Zügen. Vorher hast du einmal gesagt, ich wäre nutzlos, Mädchen. Na schön, vielleicht war ich das bis jetzt, auch wenn eure abwesende Freundin sich vielleicht daran erinnern würde, daß ich ihr auf dem Berg das Leben gerettet habe. Aber jetzt kann ich etwas Nützliches tun.« Er durchbohrte sie mit seinem kalten, starren Blick. »Es wird niemandem schaden, wenn ich es versuche, höchstens deinem Stolz.«
    Perplex starrte Sam ihn ihrerseits an. Jongleurs steife Art war irgendwie merkwürdig, er wirkte beinahe verunsichert. Seit wir Azador hierher gefolgt sind, ist er so komisch, dachte sie. Einmal mehr fragte sie sich, ob er tatsächlich so etwas wie menschliche Züge entwickelte.
    Sie bezweifelte es, doch trotz ihrer Abneigung und ihres Mißtrauens gegen den Mann konnte sie ihm nicht widersprechen. »Ich nehme mal an, wir müssen … irgendwas machen.« Sie warf !Xabbu einen Blick zu, doch der kleine Mann reagierte nur mit einem kurzen Nicken.
    »Gut.« Jongleur klatschte in die Hände. Das Echo hallte über die verhangene Lichtung. »Dann sollten wir uns auf den Weg machen.«
    »Eins noch«, sagte Sam. »Da in dem Wagen, wo ich geschlafen hab, liegen Kleidungsstücke rum. Wenn es hier so dunkel bleibt, wird es auch kalt sein, deshalb will ich mir vorher noch was zum Anziehen suchen.«
    Jongleur lächelte diesmal nicht, wofür Sam dankbar war, aber er nickte zustimmend. »Solange wir rasch machen, ist das eine gute Idee.« Er sah auf seinen notdürftigen Sarong aus Schilfhalmen und Blättern herab. »Einen Körper zu haben, verliert langsam seinen Neuheitswert. Es wird mir leid, mich von Ästen und Dornen zerkratzen zu lassen. Ich werde mich auch bekleiden.«
     
    Die Sachen in Sams Wagen waren bunt, geradezu schrill, doch in einem der anderen Wagen entdeckte Felix Jongleur einen alten, etwas abgetragenen schwarzen Anzug und ein kragenloses weißes Hemd. Sam fand, er sah aus wie ein Prediger oder ein Leichenbestatter aus einem Netzwestern.
    Um sich der Allgemeinheit anzuschließen, hatte !Xabbu seinerseits den kurzen geflochtenen Schurz gegen eine Hose eingetauscht, die geringfügig dunkler war als seine goldbraune Haut, aber es dabei belassen.
    Sam betrachtete die blaue Seidenhose und das Rüschenhemd, die sie sich ausgesucht hatte, das Beste, was sie hatte finden können, auch wenn sie so etwas zuhause um keinen Preis der Welt angezogen hätte. Wie die letzten Nachzügler der traurigsten, pannigsten Parade der Welt, so sehen wir aus.
    Eine leise Unterredung mit Jongleur hatte Azador anscheinend bewogen, sich dem Plan des alten Mannes zu fügen. Ungeachtet der Gefühle, die der Ort in ihm ausgelöst hatte, sah er sich nicht einmal mehr um, als er an der Spitze des kleinen Zuges die Lichtung und den Kreis der bunten Wagen hinter sich ließ. Sam warf noch einen letzten, sehnsüchtigen Blick auf die gespenstischen Gefährte, die über dem verschleierten Gras zu schweben schienen. Es war angenehm gewesen, in einem Bett zu schlafen, auch wenn es klein und eng gewesen war. Sie fragte sich, ob sie noch jemals Gelegenheit dazu bekommen würde.
    Sie folgten Azador auf einem langen, gewundenen Fußweg durch den Wald, bis es schließlich weit nach Mittag war beziehungsweise gewesen wäre, falls es so etwas wie einen Mittag gegeben hätte. Das schwache, diffuse Licht verlor sich im dämmerigen Halbdunkel des Waldes. Ein paar winzige Lichtpünktchen, die an sterbende Glühwürmchen erinnerten, pulsten in den Wipfeln, aber hellten die graue, kalte Welt in keiner Weise auf.
    Sam hatte es mittlerweile so satt, durch den feuchten, düsteren Wald zu stapfen, daß sie am liebsten geschrien hätte, und sei es bloß, um ein anderes Geräusch zu hören als tropfendes Wasser oder schlurfende Schritte. Plötzlich blieb Azador stehen.
    »Da ist der Fluß«, sagte er apathisch und deutete bergab auf eine Schneise zwischen den Bäumen.

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