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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Das graue Wasser glänzte nicht und sah eher wie ein breiter Bleistiftstrich aus als wie das muntere Flüßchen, das sie vorher gesehen hatten. »Doch selbst wenn ich die Brücke finde, wird sie uns nur ins nächste Land bringen, noch weit entfernt von dem Zentrum, wo der Brunnen ist.«
    »Ich vermute einmal, daß wir weit vom Romamarkt entfernt waren, als du die letzte Brücke gefunden hast«, bemerkte Jongleur. »Nicht in dem Land daneben. Habe ich recht?«
    Azador blickte verwirrt. »Kann sein. Ich weiß nicht.«
    »Du hast den Romamarkt gefunden, weil du dort hinwolltest. Genauso wie du seinerzeit einen Weg aus diesen Welten hinaus gefunden hast, nicht wahr?«
    Azador schwankte. Er hielt sich die Hände vors Gesicht. »Es fällt mir zu schwer, mich zu erinnern. Ich habe alles vergessen.«
    Jongleur nahm ihn am Arm. »Ich werde allein mit ihm sprechen«, erklärte er Sam und !Xabbu . Der alte Mann zog Azador am Hang entlang außer Hörweite und beugte sich dann dicht an ihn heran, als wollte er ein bockendes Kind zur Aufmerksamkeit zwingen. Sam dachte schon, Jongleur würde gleich den Zigeuner am Kinn nehmen, um zu verhindern, daß er den Kopf wegdrehte.
    »Wieso kann er nicht vor uns reden? Ich traue ihm nicht. Du etwa?«
    »Natürlich traue ich ihm nicht«, erwiderte !Xabbu . »Aber er ist irgendwie anders. Hast du das bemerkt?«
    Das mußte Sam zugeben. Sie beobachteten, wie Jongleur seinen Appell beendete und mit Azador zu ihnen zurückkam.
    »Jetzt werden wir die Brücke finden«, erklärte er lapidar. Azador wirkte resigniert und erschöpft, wie einer, der jeden Widerstand aufgegeben hatte, weil er wußte, daß er nicht gewinnen konnte. Er beäugte Sam und !Xabbu flüchtig, als ob er sie noch nie zuvor gesehen hätte, dann drehte er sich um und schritt den steilen, bewaldeten Hang hinunter.
    »Was hast du ihm gesagt?« erkundigte sich Sam schwer atmend.
    »Wie er denken soll.« Jongleur führte das nicht näher aus.
    Als sie tiefer am Hang zwischen den Bäumen hervorkamen, lag der Fluß direkt unter ihnen. Azador stand mit schlaff herabhängenden Armen da, den Blick starr auf eine Brücke gerichtet.
    »Block mich kreuzweise«, keuchte Sam. »Er hat’s geschafft.«
    Es war eine überdachte, ziemlich morsch wirkende Holzbrücke, ein wenig wie eine Bretterbude, die man absurd in die Länge gezogen hatte, damit sie den dunklen, ruhigen Fluß überspannte. Sam konnte zwar durch den über dem Wasser lagernden Nebel gerade noch die Stelle erkennen, wo die Brücke das andere Ufer berührte, aber sie saß mittlerweile nicht mehr der Illusion auf, daß die Überquerung sie in die hügelige Waldgegend dort drüben führen würde, ein Spiegelbild der Landschaft, in der sie sich befanden.
    Als sie neben Azador traten, stellten sie fest, daß er die Augen geschlossen hatte.
    »Ich will da nicht rüber«, sagte er leise.
    »Unsinn«, meinte Jongleur. »Du willst doch deine Leute finden, nicht wahr? Du willst tun, was der Eine dir befohlen hat.«
    »Mich erwartet dort das Ende«, klagte Azador. »Wie es mir prophezeit ist. Ich kann es fühlen.«
    »Du fühlst deine eigene Furcht«, widersprach Jongleur. »Man erreicht nichts im Leben, wenn man nicht seine Furcht überwindet.« Er zögerte, dann legte er Azador die Hand auf den Arm – abermals eine nachgerade menschliche Geste, die Sam fast genauso überraschte wie den Zigeuner. »Komm. Wir brauchen dich alle. Ich bin sicher, deine Leute brauchen dich auch.«
    »Aber …«
    »Selbst der Tod läßt sich überlisten«, sagte Jongleur. »Habe ich dir das nicht erklärt?«
    Azador wurde schwankend. Sam sah förmlich, wie er innerlich einknickte. Sie wußte nicht, ob sie wollte, daß er nachgab, oder nicht.
    »Na schön«, sagte er bedrückt. »Ich werde hinübergehen.«
    »Sehr tapfer.« Jongleur drückte ihm den Arm. Der Alte machte einen erregten, geradezu fiebrigen Eindruck, aber Sam konnte sich nicht vorstellen, warum. Ihr Mißtrauen flammte wieder auf, doch da trat er bereits zusammen mit Azador auf die Brücke.
    Sam und !Xabbu folgten wenige Schritte hinter ihnen. Unter der Überdachung war es so finster, daß das diesige Zwielicht draußen ihnen im Vergleich wie die helle Mittagssonne erschien. Beklommen strebte Sam dem grauen Lichtpunkt entgegen, der in der Ferne vor ihnen hing, der Ausgang der Brücke am anderen Ende. Ihre Schritte hallten in dem engen Raum. Die Bodenbretter knarrten unter ihr.
    »Wart mal«, sagte sie. »Wenn das da das Licht am andern Ende ist,

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