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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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ich hab ihm gesagt, für das Putzen da oben bin ich nicht zuständig, also woher hätte ich wissen sollen, daß da oben Mäuse waren?« Er lachte und wischte sich dann verlegen einen Leberwurstkrümel vom Kinn. »Lena hat gemeint, die Mäuse kämen im Aufzug hoch! Das war echt witzig!«
    Olga versuchte ihr außerordentliches Interesse an diesem zweiten Apparateraum zu unterdrücken. Was konnte ihr der schon nützen? Sie hatte keine Ahnung, wie sie Sellars’ Gerät anbringen sollte oder woran, und ohnehin war auch kein Sellars da, der davon etwas gehabt hätte. Aber der Raum befand sich in dem Teil des Turms, in den sie wollte. »Dann könntest du also einen Aufzug finden, der durchfährt, und mich dort hochbringen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Das dürfen wir nicht. Da kriegen wir Ärger.«
    »Aber ich hab dir doch gesagt, wenn ich nicht da hochkomme, kriege ich Ärger.«
    »Das versteh ich immer noch nicht«, sagte er und fing wieder an, energisch zu kauen.
    »Wie gesagt, meine Freundin von der andern Schicht hat mich am Freitag mit hochgenommen, einfach um mir den Raum mal zu zeigen. Aber ich hab da oben meine Brieftasche verloren, verstehst du? Zufällig. Und wenn jemand sie findet, ist der Teufel los. Ganz abgesehen davon, daß ich meine Karten zum Einkaufen und so nicht habe.«
    »Da wär der Teufel los, hm?«
    »O ja. Die würden mich bestimmt feuern. Und ich könnte meiner Tochter und ihrer Kleinen nicht mehr finanziell unter die Arme greifen.« Olga war hin- und hergerissen zwischen Abscheu vor sich selbst und zunehmender Verzweiflung. Nur einer, bei dem es mit dem Denken haperte, würde auf eine derart schlecht erfundene Geschichte hereinfallen. Sie nutzte Jerome schamlos aus, weil er leichtgläubig und weichherzig war, wahrscheinlich geistig gestört, und sie kam sich wie der allerletzte Abschaum vor. Allein indem sie an die Traumkinder dachte, als ob die Erinnerung ein Mantra wäre, an die Art, wie sie sich um sie geschart hatten wie aufgeschreckte und Schutz suchende Vögel, und an ihre flehenden, klagenden Stimmen, konnte sie ihre Schuldgefühle betäuben.
    »Vielleicht … vielleicht könnten wir es einfach einem der Wachmänner sagen«, meinte Jerome schließlich. »Sind eigentlich ganz nette Kerle. Die könnten sie für dich holen.«
    »Nein!« Sie dämpfte ihren Ton und probierte es noch einmal. »Nein, die müßten eine Meldung machen, denn sonst würden sie Ärger kriegen, verstehst du? Und die Freundin, die mich hochgebracht hat, würde dann auch Ärger kriegen. Ich möchte auf keinen Fall, daß jemand anders gefeuert wird, bloß weil ich einen Fehler gemacht habe.«
    »Du bist echt nett, Ol-ga.«
    Sie wand sich innerlich, doch bemühte sich, weiterhin zu lächeln. »Kannst du nicht irgendwas machen, Jerome?«
    Die Vorstellung, die Vorschriften zu verletzen, quälte ihn deutlich, doch sie sah, daß er überlegte. »Ich könnt’s probieren, aber ich weiß nicht, ob der Fahrstuhl aufgeht. Auf welcher Etage hast du deine Brieftasche verloren?«
    »Auf der mit den Apparaten.« Das mußte die mit der dünnsten personellen Besetzung sein, und vielleicht kam man von dort ja in die übrigen Stockwerke – mußten nicht selbst die am strengsten gesicherten Gebäude der fiesesten Schurken nach dem Gesetz Treppen und Feuerleitern haben? Wie sie Jerome loswurde, damit sie in Ruhe stöbern konnte, mußte sie der spontanen Eingebung überlassen.
    Vielleicht könntest du ihn einfach bewußtlos schlagen, wenn du dort bist, Olga, dachte sie grimmig. Der Vollständigkeit halber, um ja keine Widerwärtigkeit auszulassen.
    Jerome steckte den Rest seiner Stulle in den Vakuumbeutel zurück und verschloß ihn sorgfältig. Er schien den Appetit verloren zu haben. »Wir können ja mal losfahren und es probieren, Ol-ga. Aber wenn es nicht klappt, darfst du mir nicht böse sein, okay?«
    »Versprochen.« Und möge Gott mir vergeben, setzte sie im stillen hinzu.
     
     
    > Ramsey konnte sich vor Eindrücken kaum retten, als er sich im Zimmer umsah. Selbst für ein virtuelles Environment, wo Schwerkraft und räumliche Grenzen nur vorgespielt wurden, war es irrsinnig vollgestopft. Ein grausiger Stapel von Köpfen in durchsichtigen Kästen, eine Sammlung menschlicher und nichtmenschlicher Trophäen, die mehr wie Augenblickshologramme als wie richtig abgeschlagene Häupter wirkten, beherrschte den mehrgeschossigen Raum, doch es gab jede Menge Konkurrenz. Merkwürdige Gegenstände waren überall aufgehäuft,

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