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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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und willst mir hinterher nicht einmal erzählen, wo du gesteckt hast? Und vermutlich willst du mir auch nicht dein kleines … Souvenir da erklären?«
    Es sah fast so aus, als drückte Klement daraufhin die kleine Babyform fester an sich, die erste halbwegs menschliche Geste, die Sam bis jetzt bei dem Mann gesehen hatte. »Es … ist mein.«
    »Erzähl mir einfach, was du gemacht hast!« verlangte Jongleur.
    »Gewartet«, sagte Klement nach einer langen Pause.
    »Worauf?«
    »Auf … etwas.« Klement drehte sich langsam zum Brunnen um, dann wieder zu Jongleur, !Xabbu und Sam. »Und jetzt … habe ich es gefunden.«
    Im nächsten Moment war Ricardo Klement verschwunden.
    Sam starrte wie vom Donner gerührt auf die leere Stelle, dann wandte sie sich !Xabbu zu, halb in der Hoffnung, daß sie an einer Bewußtseinstrübung litt. Ihr Freund blickte genauso verdattert, doch immer noch weitaus weniger als Jongleur, der aussah wie ein Mann, dessen Möbel sich gerade vor seinen Augen in die Luft geschwungen und ihn angegriffen hatten.
    »Was …?« sagte er und machte vor Verblüffung den Mund nicht mehr zu. »Wie …?«
    Im selben Moment gab es einen ungeheuren Ruck, und die ganze Welt lief stotternd aus und blieb stehen. Sam hatte seit vielen Tagen nichts dergleichen mehr mitgemacht und das Grauen dieser raumzeitlichen Aussetzer schon fast vergessen. Farben und Töne verschwammen zu einem einzigen sensorischen Mischmasch. Sam war überzeugt, daß jetzt das Ende gekommen war, der Totalabsturz des Systems, und versuchte sich noch gegen die gräßlichen, knochentiefen Schmerzen zu wappnen, die sie von dem einen Mal her kannte, als sie aus dem Gralsnetzwerk herausgerissen worden war. Doch statt dessen fügte sich das sinnlose optisch-akustische Chaos jäh wieder zusammen, als ob jemand ein abgelaufenes Uhrwerk aufgezogen hätte. Die Wirklichkeit funktionierte wieder. Wenigstens zum größten Teil.
    Das Steinmädchen zog an Sams Arm, doch Sam konnte es kaum erkennen, so wenig wie irgend etwas anderes, weil das wieder angegangene Licht viel trüber war als vorher, so als ob das ganze virtuelle Universum von einem einzigen uralten, schwachen Generator getrieben würde. Die Gestalten um sie herum waren kaum mehr als Schatten. Da erhob sich unter den um den Brunnen versammelten Flüchtlingen ein ängstliches Raunen, ein Geräusch wie Wind in hohen Baumwipfeln.
    Das Steinmädchen zog sie abermals am Arm. »Guck mal, die Sterne«, flüsterte die Kleine mit erstickter Stimme.
    Sam schaute nach oben.
    Am Himmel wurde es nach der langen Dämmerung endlich richtig Nacht, doch die Sterne wurden nicht heller. Sie verblaßten vielmehr und erloschen, und über das Land um den Brunnen legte sich vollkommene Finsternis.

Kapitel
Ohne Netz
    NETFEED/WERBUNG:
    ANVAC heißt »Vertrauen«
    (Bild: Szenen von Hunden, Kindern, Vorstadtvillen und Parks)
    Off-Stimme: Es wird heutzutage viel dummes Zeug geredet, doch wenn bestimmte Leute unser Unternehmen geheimniskrämerisch oder arrogant oder rachsüchtig nennen, dann geht das entschieden zu weit. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, Menschen zu beschützen. Jawohl, einige unserer Kunden sind führende Persönlichkeiten in der internationalen Politik und Wirtschaft, aber viele sind auch ganz normale Leute wie ihr. Anständige Leute. Leute, die wissen, daß Glück von Sicherheit kommt – und Sicherheit kommt von ANVAC.
    Wir werden oft gefragt: »Was bedeutet eigentlich euer Name? Stehen die Buchstaben für irgend etwas?« Aber das, müssen wir leider sagen, geht niemanden etwas an. Wir sind ein Konzern in privater Hand, und genau wie ihr nicht möchtet, daß jemand in euer Haus kommt und eure alten Briefe liest, so haben auch wir ein Recht auf unsere Privatsphäre. Es reicht aus, wenn die Öffentlichkeit weiß, daß wir für das Recht unserer Kunden auf ein sicheres Leben stehen und daß die Buchstaben A-N-V-A-C vor allen Dingen eines bedeuten: »Vertrauen« …
     
     
    > Sie stand wie gelähmt da und beobachtete den Bogen, den das Trapez beschrieb, während es auf sie zukam, ausschwang und in die Düsternis ganz oben in der Kuppel des großen Zeltes zurückpendelte. Sie wußte, beim nächsten Schwung mußte sie springen und es fassen, oder sie würde es nicht mehr schaffen, würde nie mehr von dem hohen Artistenstand herunterkommen. Aber genauso sicher wußte sie auch, daß es kein Netz gab und daß ein Sturz auf die mit Sägemehl bestreute Manege unter ihr, unsichtbar im grellen Licht der

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