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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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vermutet entdeckte, daß die Toneingabe ausgestellt war. Das war’s. Das zweite Paßwort mußte man sprechen, nachdem man das erste getippt hatte. Das System hatte das erste gehört, mit einem kurzen Check festgestellt, daß der Ton nicht an war, und damit das Ganze als gescheiterten Versuch abgetan, und das alles so blitzschnell, daß es mit menschlichen Sinnen nicht wahrnehmbar war.
    Sie stellte den Ton an, wobei sie sich einschärfte, ihn unbedingt wieder auszuschalten, wenn sie fertig war – ansonsten konnte sie Dread auch gleich mitteilen, daß sie versucht hatte, sein System zu häcken. Dann nahm sie noch ein paar Veränderungen vor und schloß den Zeichengenerator an das Stethoskopgear an. Wenn diesmal das Zögern kam, mußte der Zeichengenerator anhalten und sie lesen lassen, was ihr wenigstens das erste Paßwort verschaffen würde.
    Sie nahm noch einen Schluck Tee, ohne ihn überhaupt zu schmecken, und ließ dann den Generator arbeiten – vor ihrem inneren Auge sah sie ihn als eine Roulettescheibe, die sich so schnell drehte, daß sie fast unsichtbar war. Nach noch nicht einer Minute blieb er stehen, und die Buchstaben »TRAUMZEIT« blinkten im Einlogkasten. Sie kannte den Begriff von ihrer kurzen Beschäftigung mit australischer Mythologie her, und Triumph überkam sie. Diesmal, wo der Ton an war, hatte das System das erste Paßwort erkannt und wartete jetzt auf das zweite.
    Aber es wird nicht sehr lange warten, wurde ihr plötzlich klar, und das Triumphgefühl verging. Es wird mir zehn Sekunden geben, höchstens zwanzig, und sich dann abschalten, wenn ich bis dahin nicht das richtige Wort gesagt habe. Und beim nächstenmal, mit Sicherheit aber beim übernächstenmal wird es total dichtmachen, wenn ich ihm nicht das richtige Paßwort liefere – jeden Zugang verweigern, vielleicht sogar einen Alarm auslösen. Auf jeden Fall wird es ein deutliches Zeichen hinterlassen, daß jemand versucht hat einzudringen.
    Sie hatte keine Chance, sich das zweite Paßwort aus dem Ärmel zu schütteln, kam auf nichts anderes, als »Wulgaru« zu versuchen, was ihr immer noch zu offensichtlich erschien. Und sie konnte Paßworte nicht annähernd in der Geschwindigkeit sprechen, in der sie Zeichen direkt ans System senden konnte, nicht einmal wenn sie den Zeichengenerator modifizierte – was sie zudem Tage, vielleicht Wochen Arbeit auf einem Gebiet gekostet hätte, von dem sie so gut wie nichts verstand.
    Zehn Sekunden waren um. »TRAUMZEIT« blinkte immer noch auf ihrem Bildschirm, verhöhnte sie, und jeden Moment konnte das Fenster zugehen. Sie hatte sich so ins Zeug gelegt, um den ersten Teil des Rätsels zu lösen, und obwohl ihr das gelungen war, hatte sie in ihrer selbstvergessenen Schusseligkeit nicht vorausgedacht. Jetzt war sie aufgeschmissen, machtlos, geschlagen.
    »Du bist so eine hirnlose Schlampe!« beschimpfte sie sich wütend.
    Beim letzten Wort wurde der Bildschirm schwarz. Gleich darauf leuchteten die Worte »ZUGRIFF GEWÄHRT« auf, und die Tür zu Dreads verbotenem Zimmer öffnete sich.
     
    Die sechsundfünfzig Dateien waren nach Datum geordnet, die erste über fünf Jahre alt und schlicht »Nuba 1« betitelt. Sie öffnete sie und sah, daß es sich um eine Bild- und Tondatei handelte, aber nur 2D, keine volle Immersion. Qualitativ war sie noch schlechter als das Labormaterial. Das Ganze war mit einer einzelnen, sehr primitiven, ortsfesten Kamera geschossen worden und erinnerte an Überwachungsaufnahmen.
    Zuerst war kaum etwas zu erkennen. Das Bild war extrem dunkel. Erst nach einer halben Minute ging ihr auf, daß die Betonpfeiler im Vordergrund irgendwelche architektonischen Teile im Freien waren, vielleicht Träger einer Freewayauffahrt, und daß der dunkle Hintergrund weiter oben der Nachthimmel war.
    In den Bewegungen am Fuß eines der Pfeiler, im Schatten verborgen trotz des Lichtscheins von oben, wohl von einer Natriumlampe am Freeway, erkannte sie schließlich zwei menschliche Gestalten, obwohl es die erste Minute über nur eine Vermutung war, daß es sich um Menschen handelte. Erst dachte sie, daß die dunklen, undeutlichen Formen an einem der hinteren Pfeiler miteinander Sex hatten – erst eine Hand, dann ein Bein wischten in das neben ihnen herabstrahlende Licht. Dann hatte sie zu ihrem Entsetzen den Eindruck, daß die größere Gestalt die kleinere würgte. Doch auch das schien nicht zu stimmen, denn nach einer Weile stand die größere auf, und man sah, daß die kleinere sich noch bewegte:

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