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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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»Es ist Dread! Er ist uns nachgekommen!«
    Die riesenhafte Gestalt auf dem Hügel wand sich vor Qual; das Geheul wurde noch lauter. »Irgendein Widerstand hält ihn auf!« rief Paul. »Das System! Es bekämpft ihn!«
    »Das System wird verlieren!« Martine packte ihn am Arm und riß ihn vorwärts, und gemeinsam stolperten sie den Hügel hinauf. Einer Sturmbö hilflos ausgeliefert flogen die kreischenden Kinder der Bösen Bande vorbei. Paul blieb stehen und griff nach Bonnie Mae, die hingefallen war; als er einen Blick zurück riskierte, sah er, wie das im Blitzgestöber undeutlich zu erkennende Ungeheuer sich mühsam auf die Beine stellte. Seine Schreie übertönten noch den Sturm.
    Paul wandte hastig den Blick ab und lief wieder los. Hinter ihm schwoll das Brüllen der Bestie weiter an, bis die ganze Welt ein einziger durchdringender Schrei animalischer Wut zu sein schien.
    Der Himmel verdunkelte sich. Einer nach dem anderen erloschen die Sterne.
     
     
    > Dulcys Herz hämmerte.
    Was macht er bloß? Wieso war er so in Rage? So hab ich ihn noch nie erlebt, nicht mal in den kritischsten Momenten der Atasco-Aktion. So wichtig kann das doch gar nicht sein, dieses irreale Zeug. Es spielt sich doch alles bloß im Netzwerk ab, Herrgott nochmal! Warum hat er mich dann so angebrüllt?
    Sie klappte behutsam das Pad zu, wartete, daß ihr Puls sich normalisierte. Er beobachtet dich nicht, sagte sie sich. Sie blickte kurz zu Dreads leblos daliegendem Körper hinüber, der nur vom langsamen Massagemechanismus des Bettes bewegt wurde, aber wußte, das dieser Eindruck gar nichts bewies. Er konnte sie mit versteckten Kameras überwachen, vielleicht sogar über ihr eigenes Pad.
    Nein, widersprach sie sich entschieden. Totaler Quatsch! Über den Wandbildschirm vielleicht, aber in mein privates System kommt er nicht rein – ich hab ’ne bessere Abwehr als die meisten Regierungen. Wenn er solche Geartricks draufhätte, würde er mich gar nicht brauchen.
    Dulcy wußte, daß an Arbeit nicht zu denken war, solange ihre Nerven derart flatterten. Sie setzte Wasser für eine Tasse Earl Grey auf. Auf die altmodische Art ging es langsam, aber den Hotpack-Instanttee hatte sie einmal probiert. Das hatte gereicht.
    Er weiß nicht, was du machst, suggerierte sie sich. Und solange du aufpaßt, wird er auch nichts davon mitbekommen. Du mußt nur hinterher die Spuren beseitigen.
    Aber eine vorsichtigere Stimme in ihr ließ sich nicht beschwichtigen. Wieso machst du das überhaupt? Aus sportlichen Gründen? Mußt du in seine Privatdateien einbrechen, nur um zu beweisen, daß du besser bist als er?
    Nein, entschied sie. Ich muß es machen, weil er nicht will, daß irgend jemand davon erfährt – daß ich davon erfahre. Das ist ihm sehr wichtig, und wenn ich es knacken und kopieren kann, habe ich vielleicht ein Verhandlungsunterpfand in der Hand. Etwas, das ich als Druckmittel einsetzen kann, um hier sicher rauszukommen.
    Außerdem hab ich’s satt, weiter im Dunkeln zu tappen.
    Als der Tee fertig gezogen hatte und ihre Hände wieder ruhiger waren, nahm sie die Tasse und kehrte zu dem Sessel und dem kleinen Tisch zurück, die sie sich in einer Ecke des Loft aufgestellt hatte. Unten auf der Straße hörte sie Leute lachen und Musik aus Autos plärren. Wehmütig überlegte sie, wieviel netter es doch wäre, wenn sie eine vernünftige junge Frau sein könnte, eine, die am Samstagabend mit Freunden ausging, statt in einer totenstillen und total verdunkelten Fabriketage zu sitzen und das Dienstmädchen für einen launischen und gewalttätigen Scheißkerl wie Dread zu spielen.
    Sie nahm einen Schluck Tee und starrte auf ihren Padbildschirm. Sämtliche Versuche, Dreads Paßwort herauszubekommen, waren bisher fehlgeschlagen. Es war zum Wahnsinnigwerden, geradezu unglaublich. Ein Paßwort? Selbst die vertrackteste Zahlen- und Buchstabenfolge mußte eigentlich irgendwann auf ihrem Zufallszeichengenerator erscheinen, doch aus irgendeinem Grund passierte das nicht. Und jetzt, wo sie mit einem neuen Kryptogear vom Schwarzmarkt den Aufbau des Paßwortes – neun Zeichen – herausgefriemelt hatte, war es noch ärgerlicher, daß sie die Auflösung nicht fand.
    Im Grunde war es völlig unmöglich. Neun Zeichen! Das Gear brauchte nicht lange, um jede mögliche Kombination von Buchstaben, Zahlen und Satzzeichen durchzuspielen, aber ein ums andere Mal blieb die Tür zu Dreads verbotenem Zimmer verschlossen.
    Aufgrund der Laborsequenz mit den seltsamen, unscharfen

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