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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Versuchsbildern hatte sie es auch mit jeder Variante von »John Wulgaru« probiert, was ihres Erachtens bestimmt sein Name war. Zwar hätte das Gear als Teil seines Algorithmus diese Varianten ebenfalls generieren müssen, aber sie mußte alles probieren, weil sie felsenfest überzeugt war, daß Sachen wie sein Name und seine Geschichte, die er mit soviel Aufwand verborgen hielt, in Beziehung zu seinen anderen sorgfältig gehüteten Geheimnissen wie diesem mysteriösen Speicher standen. Doch sein Name war auch nicht der Schlüssel gewesen, und bevor Dread sie so jäh unterbrochen hatte, hatte sie Namen aus der uraustralischen Mythologie eingegeben, obwohl das Kryptogear in seiner nahezu unendlichen Hartnäckigkeit auch sie von selbst hätte erzeugen müssen.
    Dulcy blickte auf ihr Pad, dann wieder auf Dreads lang hingestreckte Gestalt, sein dunkles Buddhagesicht. Es war unbegreiflich. Neun Zeichen, aber sie kam trotz stundenlanger Arbeit einfach nicht dahinter. Es mußte etwas geben, das sie übersah – aber was?
    Aus einer plötzlichen Eingebung heraus durchsuchte sie ihre Toolbox nach einem Gear, das sie nicht oft benutzte, einem kleinen Codemonster, das noch ausgefallener war als das, mit dem sie die Anzahl der Zeichen im Paßwort bestimmt hatte. Ein malaysischer Häcker, mit dem sie gelegentlich zu tun hatte, hatte es ihr im Austausch für etliche Personalakten einer asiatischen Bank gegeben, die sie im Zusammenhang mit einer geplanten, aber am Schluß doch geplatzten feindlichen Übernahme heruntergeladen hatte. Die aufgeflogenen Konzernpiraten waren in Singapur festgenommen und einer davon war hingerichtet worden. Dulcy hatte dafür gesorgt, daß niemand sie mit dem Vorfall in Verbindung bringen konnte, aber sie hatte auch kein Geld dafür gesehen und daher die Dateien gern anonym abgestoßen, um wenigstens noch einen gewissen Nutzen daraus zu ziehen.
    Das Codeteil, das sie dafür bekommen hatte – »Stethoskop« hatte ihr malaysischer Bekannter es genannt –, war nicht besonders vielseitig einsetzbar, aber es hatte seine Vorzüge. Am besten eignete es sich dafür, extrem kleine Änderungen der Verarbeitungsgeschwindigkeit festzustellen, geringfügigste Abweichungen, die sich auf der Interfaceebene des Systems niemals bemerkbar machten, aber anhand derer man potentielle Bugs entdecken konnte, bevor sie sich zu größeren Problemen auswuchsen. Da Dulcy keine Gearschreiberin war, hatte sie es niemals zu seinem vorgesehenen Zweck benutzt, aber sie hatte es ab und an dafür gebrauchen können, Abwehrlücken in Systemen zu lokalisieren, die sie angreifen wollte. Sie hatte vor der Australienreise fast ein Jahr keine Verwendung mehr dafür gehabt, doch bei Dreads Eindringen in das Gralssystem hatte es sich als sehr zweckmäßig erwiesen. Jetzt sagte ihr irgend etwas – vielleicht Häcksenintuition –, daß es abermals gute Dienste leisten könnte.
    Weil noch irgendwas anderes mit im Spiel sein muß, sagte sich Dulcy, während sie das Stethoskop in Gang setzte.
    Sie startete den Zufallszeichengenerator erneut, damit das Gear etwas zu analysieren hatte, dann lehnte sie sich zurück und schlürfte ihren Tee. Sie hatte den tödlichen Schreck fast vergessen, der sie durchzuckt hatte, als Dread schreiend auf ihrem Bildschirm aufgetaucht war. Fast.
    Drei Minuten später war der Zeichenzyklus einmal durchgelaufen, genauso erfolglos wie die zwei Dutzend Male vorher. Sie öffnete den Stethoskopbericht, und ihr Herzschlag beschleunigte sich. Da war etwas, jedenfalls sah es sehr danach aus: ein kleines Zögern, ein winziger Aussetzer, als ob Dreads Abwehr einen Sekundenbruchteil lang gestockt hätte. Was wohl bedeutete, vermutete sie, daß das Sicherheitsprogramm einen Teil des gewünschten Schlüssels registriert, nachgeprüft und nicht gefunden hatte, was es sonst noch brauchte, um den Zugriff zu gestatten, und daraufhin den Versuch abgeschmettert hatte.
    Dulcy biß sich auf die Lippe und dachte nach. Es mußte eine Art doppeltes Paßwort sein – erst X, dann Y. Aber wenn der Generator die geforderten neun Zeichen geliefert hatte, warum hatte sie dann keine Aufforderung erhalten, das zweite Paßwort einzugeben? Wieso hatte das System nicht angehalten und gewartet? Kein Mensch konnte in dieser Mikrosekunde des Zögerns ein weiteres Paßwort ausspucken, einerlei ob getippt oder gesprochen.
    Gesprochen. Sie spürte ein Kribbeln im Nacken. Sie überprüfte Dreads System, und Freude und Stolz durchströmten sie, als sie wie

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