Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
Rand gestoßen; sie verschwanden in den lautlosen Lichtwellen und tauchten nicht wieder auf. T4b hatte seinen Ellbogen fest mit Pauls verhakt und murmelte etwas, das sich nach einem Gebet anhörte. Florimel brüllte sie alle an, sie sollten näher zusammenrücken, damit Fredericks nicht zertreten werde. Paul fühlte, wie ein weiterer Arm sich unter seinen schob und ein Körper sich dicht an ihn preßte. Es war Martine. Die unverhohlene Furcht eines Kindes stand ihr ins Gesicht geschrieben. Paul zog ihren Arm fester an sich.
    Dread war jetzt am Rand des Massenlagers angekommen. Er blieb vor dem Gelände stehen, auf dem die Fliehenden alles niedergetrampelt hatten, und hob die Hände, als wollte er die ganze unübersehbar große Menge in die Arme schließen. Sein Gesicht war schattenhaft, die menschlichen Züge zwar deutlich, aber irgendwie verwackelt, die Augen leere weiße Halbmonde. Nur die Zähne, zu einem breiten, gierigen Grinsen gebleckt, stachen klar heraus. Die Figur strahlte eine solche überlegene, rücksichtslose, blutige Macht aus, daß die nächsten Flüchtlinge kreischend und zappelnd hinstürzten, obwohl er sie nicht einmal angerührt hatte.
    Martine hielt es kaum aus. Sie preßte ihr Gesicht gegen Pauls Arm. »So muß … das Grauen sein, das der Andere fühlt«, stöhnte sie.
    Paul erschien es sinnlos, noch Vergleiche anzustellen. Das war das Ende, ein für allemal.
    »Ach, was seid ihr doch so schlau.« Dreads lachende Stimme klang allen in den Ohren. »Aber ich weiß, daß ihr hier irgendwo seid.« Die toten weißen Augen strichen über die jammernden Scharen.
    Er sucht uns. Paul drohte das Herz auszusetzen. Er weiß, daß wir hier sind, aber nicht genau, wo.
    Der Schattenmann und alles um ihn herum wurden mit einemmal trübe.
    Jetzt werde ich auch noch blind wie Martine …
    Blind?
    Die Luft wurde dicht, diesig. Paul versuchte die Augen freizuzwinkern, doch der Schleier war außerhalb von ihm, ein zäher Dunst, der sich über dem flimmernden Krater und um sie alle herum bildete. Zuerst hatte er Dread in Verdacht, meinte, dieser würde der ganzen Simwelt metaphorisch die Luft absaugen, doch der dunkle Mann wirkte verwirrt und gestikulierte vor seinem Gesicht, als wollte er einen Vorhang wegreißen.
    »Aber ich hab dich doch vernichtet!« bellte Dread. »Du kannst mich nicht mehr aufhalten!«
    Es war tatsächlich ein Vorhang, erkannte Paul verwundert, eine Sperre aus rasch dichter werdendem Nebel, der zwischen Dread und seinen Opfern aufzog. Die anfangs hauchdünne, durchsichtige Barriere verdickte sich rasch zu einer halbkugeligen Wolkenschicht über dem gesamten Brunnen, durch die man zwar Dreads rabenschwarzen Umriß noch erkennen konnte, aber die doch massiv genug war, um das matte Flimmern ein wenig zu reflektieren. Der Schattenmann sprang und schlug gegen den sich verfestigenden Nebel an, und die Wolkenfasern spannten sich bis zum Zerreißen … doch sie zerrissen nicht.
    Dreads erbitterter Aufschrei dröhnte in Pauls Schädel, daß er sich schlotternd niederduckte. Ringsumher stießen sich die vollkommen durchdrehenden Massen gegenseitig zu Boden in ihrem verzweifelten Bestreben, vor etwas zu fliehen, das in ihren Köpfen war. Das Schreien schwoll an, bis Paul meinte, sein Gehirn werde explodieren und aus Nasenlöchern und Ohren müsse Blut laufen, dann klang es aus wie ein abziehender Sturm.
    Eine Weile herrschte Schweigen. Im Innern der Wolkenkuppel war es ein Schweigen nicht allein der Qual, sondern auch der Verwunderung über diese letzte Atempause vor dem Unabwendbaren.
    Martines Stimme war ganz schwach vor Schmerz und Schock. »Ich … ich fühle so eine … o Gott! Der Andere hat eine allerletzte Abwehr aufgefahren, aber er hat … kaum noch Kraftreserven.«
    Die Figur hinter der Nebelwand war inzwischen ganz ruhig geworden.
    »Das dauert nicht lange.« Die eisigen Worte klirrten Paul in den Ohren. Überall hörte er Kinder schluchzen, weil es vor der Stimme des bösen Mannes kein Entrinnen gab. »Es ist nur eine Frage der Zeit.«
    Die dunkle Gestalt spreizte abermals die Hände und preßte sie gegen die Sperre. Die ihm am nächsten stehenden Flüchtlinge heulten auf und drängten weiter nach hinten, doch Dread unternahm diesmal nichts, um durchzubrechen. »Ich weiß, daß ihr da seid, ihr alle.« Er hielt kurz inne. »Du, Martine. Wir haben was zusammen erlebt, Süße. Du weißt, was ich meine.«
    Sie lag mit dem Gesicht am Boden. Paul legte ihr die Hand auf den Rücken, fühlte die

Weitere Kostenlose Bücher