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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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hat er sich dann abgesetzt? Was ist mit ihm passiert?«
    Sam druckste einen Moment. »Was … was meinst du damit?«
    »Na ja, wann habt ihr euch von ihm getrennt – oder hat ihn unterwegs was gefressen? Das wäre natürlich toll.«
    Da war ihr zum erstenmal ihr jugendliches Alter anzumerken. Sie war plötzlich ein nervöser Teenager, der sich einem verärgerten Erwachsenen gegenübersah. »Aber … er ist hier.« Sie blickte Paul und seine Begleiter an, als ob sie das längst wissen müßten. »Da drüben.« Sie streckte die Hand aus.
    Ein Druck legte sich Paul um die Schläfen wie ein schmerzhaft festgezogenes Band. Wenige Meter entfernt standen Azador und ein dunkel gekleideter kahlköpfiger Mann und sahen zu ihnen herüber, Azador angeregt plaudernd, der andere schweigsam, die Augen halb geschlossen. »Das … das ist er?« Pauls Brustkasten fühlte sich an, als ob sich jemand daraufgesetzt hätte. »Das ist Felix Jongleur?«
    »Ja, aber …« Bevor Fredericks ein weiteres Wort herausbringen konnte, war Paul aufgesprungen und losgelaufen.
    Azador blickte auf. »Ionas, mein Freund!« rief er aus und breitete die Arme aus, doch Paul stürmte an ihm vorbei. Er warf sich mit seinem ganzen Gewicht auf den kahlen Mann und riß ihn zu Boden. Jongleur hatte ihn kommen sehen, aber der wütende Paul war dermaßen in Fahrt, daß nichts ihn aufhalten konnte. Er packte Jongleurs Kopf mit beiden Händen und schmetterte ihn auf die Erde, dann schwang er sich auf ihn und drosch mit beiden Händen auf sein Gesicht ein. Der Mann riß die Arme hoch, um Pauls Schläge abzuwehren, und ruckte hin und her, um ihn abzuwerfen. Zu Pauls Befriedigung landeten einige seiner Schwinger voll an Jongleurs hartem Schädel, doch das alles schien weiter weg zu geschehen, als seine Arme reichten. Stimmen schrien in seinem Kopf, und sein Wutausbruch schien die Zeit zum Stillstand gebracht zu haben.
    Mein Leben gestohlen! Versucht mich umzubringen!
    Wie ein Besessener schlug er wieder und wieder zu.
    Verbrecher! Mörder!
    Einige der Worte stieß er hörbar hervor. Noch andere Stimmen ertönten – Paul hörte Leute seinen Namen rufen, fühlte sie an seinen Armen zerren –, doch Jongleur blieb eisig stumm. Der ältere Mann hatte den ersten wilden Fäustehagel überstanden; jetzt schoß seine Hand nach oben, packte Paul am Kinn und drückte seinen Kopf nach hinten, daß ihm das Genick zu brechen drohte.
    »Ich bring dich um!« schrie Paul, doch Jongleur glitt unter ihm weg, als ob Paul am Flußufer säße und sein Feind auf einem Boot in der Strömung schwämme. Undeutlich nahmen seine adrenalingetrübten Sinne wahr, daß mehrere Arme ihn umschlangen und ihn vom Boden hochzerrten, weg von seinem Gegner. Wenigstens zwei der Männer, die ihn festhielten, waren Zigeuner, muskulöse Kerle, die nach Holzrauch rochen.
    »Laßt mich los!« brüllte er, doch vergebens. Gegen diese Griffe kam er nicht an.
    »Hör auf!« rief Florimel dicht an seinem Ohr. »Das hat keinen Zweck, Paul.«
    Azador hatte Jongleur aus Pauls Reichweite gezogen. »Warum machst du das?« empörte sich der Zigeuner. »Du bist mein guter Freund, Ionas. Aber dieser Mann ist auch mein Freund. Es muß doch nicht ein Freund den andern bekämpfen!«
    Paul hörte Azadors Worte, doch sie sagten ihm nichts. Er stierte Jongleur mit ohnmächtigem Haß an. Der ältere Mann erwiderte seinen Blick mit einem Ausdruck stoischer Verachtung; nur das aus seiner Nase rinnende Blut deutete noch darauf hin, was vorgefallen war.
    »Martine?« sagte jemand. Da erst bemerkte Paul, daß die blinde Frau mit zu den Leuten gehörte, die ihn gepackt hielten. »Martine?«
    »Was ist, Sam?«
    »Ich kann ihn nicht finden, Martine.« Selbst in dem metallischen Licht, das aus dem großen Krater kam, wirkte Sam Fredericks unnatürlich bleich. »Er ist weg, einfach weg!«
    »Von wem redest du?« fragte Martine. Einige von Pauls Bändigern lockerten ihren Griff, doch die beiden Zigeuner gaben acht, daß er ihnen nicht entwischte. »Wer ist weg?«
    » !Xabbu «, jammerte Sam. »Er hat das Lagerfeuer verlassen, aber dann ist er nicht mehr zurückgekommen. Und jetzt kann ich ihn nirgends finden.«
     
     
    > Als sie sah, wie die anderen sich paarweise aufteilten, um nach !Xabbu zu suchen, hätte Sam das eigentlich zuversichtlich stimmen müssen, doch dem war nicht so. Die Plötzlichkeit seines Verschwindens erfüllte sie mit der Gewißheit, daß etwas viel Gravierenderes passiert war, als daß er sich einfach kurzfristig

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