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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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sogar«, sagte sie. Mittlerweile fand sie es ganz natürlich, sich mit einem Stück Code zu unterhalten. »Als ich jünger war, habe ich längere Zeit in einer Heilanstalt zugebracht. Und seit kurzem – na ja, wir wissen alle, was es zu bedeuten hat, wenn man Stimmen im Kopf hört.«
    »Gerade hörste auch Stimmen im Kopf«, gab Beezle zu bedenken.
    »Ja, das stimmt. Langsam gewöhne ich mich daran.« Sie drehte sich um und schritt durch den kolossalen Raum auf den Fahrstuhl zu.
    »Olga, nicht!« Ramsey war völlig außer sich. »Wir müssen dich rausschaffen!«
    »Und allmählich bekomme ich auch Übung darin, sie zu ignorieren«, fügte sie hinzu.
     
     
    > Es war jetzt ein wenig leichter, aber nicht viel. Er hatte das Gefühl, doch nicht ganz so rasch sterben zu müssen.
    Zum hunderstenmal, tausendstenmal, er wußte es selbst nicht, wehrte Sellars einen Angriff ab und schaffte es dennoch, die Verbindung zum Gralsnetzwerk offenzuhalten. Trotz aller Erfahrung, die er bei dieser nicht enden wollenden Konfrontation wie auch bei seinen früheren Vorstößen gewonnen hatte, verblüffte es ihn, wie das Ding reagierte.
    Er schwebte körperlos in einer Dunkelheit, in der die schiere Bosheit zu regieren schien. Nachdem er die anfängliche Abwehrkanonade überstanden hatte, kamen jetzt die nachfolgenden Attacken in völlig willkürlichen Intervallen. Manchmal blieb ihm fast eine ganze Minute zum Überlegen und Planen, dann erfolgten die Angriffe Schlag auf Schlag, und er mußte sich wieder völlig aufs nackte Überleben konzentrieren.
    Er hatte bei seinen früheren Begegnungen die Erfahrung gemacht, daß die Abwehrmethoden des Systems mehr waren als bloß automatische, wenn auch hochgradig raffinierte Gegenmaßnahmen. Es fuhr alle Ablaufverfolgungen, Rückstoßeffekte und Abschaltversuche auf, die er von erstklassigem Gear erwartete, und ging so rasch von Angriff zu Verteidigung zu Gegenangriff über, daß es wie Krieg im Weltraum mit Lichtgeschwindigkeit war. Aber es kam jetzt noch ein physischer Aspekt dazu, möglicherweise die Ursache der Tandagorekrankheit: Bei jedem Angriff spürte er, daß nicht nur sein System ins Visier genommen wurde, sondern auch er selbst, daß das Ding versuchte, die Tätigkeit seines autonomen Nervensystems zu beeinflussen, seinen Herzschlag und seine Atmung zu verlangsamen oder zu beschleunigen, gewissermaßen seine Nervenschaltungen umzuprogrammieren.
    Aber Sellars war kein ahnungsloses Kind, das in die Klauen eines lauernden Ungeheuers tappte. Er hatte das System lange beobachtet und seine eigenen inneren Strukturen so modifiziert, daß die meisten der offensichtlicheren Versuche, ihn zu manipulieren, in unschädliche Bahnen abgelenkt werden konnten, wo ihre Wirkung von Puffern neutralisiert wurde, beinahe so wie ein Blitzableiter mit der tödlichen Stromwirkung verfuhr. Dennoch mußte er sich physisch gewissermaßen vollkommen abschalten, solange er online gehalten wurde und mit der Abwehr des Netzwerks rang, weil sonst die Gefahr bestand, daß sein alter, verbrauchter Körper sich buchstäblich in Krämpfen zerriß. Zwar mochte das Sicherheitssystem noch nicht imstande sein, ihn umzubringen, doch genausowenig konnte er sich davon abkoppeln, ohne den Kontakt zu Cho-Cho zu verlieren, und er durfte nicht noch einen Unschuldigen in der Dunkelheit im Herzen des Systems verschwinden lassen – er hatte bereits zu viele Sünden auf dem Gewissen. Und obwohl das Betriebssystem deutlich schwächer wurde und wahrscheinlich dem Ende nahe war, brauchte er darauf keine Hoffnungen zu setzen, denn der endgültige Zusammenbruch würde wahrscheinlich alle, die dann noch online waren, mit ins Verderben reißen. Sellars und das System blieben ineinander verkrallt, ermattende Gegner, die in ihrem unbarmherzigen Todestanz nicht voneinander ablassen konnten.
    Die vorerst letzte Angriffswelle verebbte. Er hing in der Schwärze und dachte verzweifelt über eine Möglichkeit nach, die Pattsituation zu durchbrechen. Wenn er nur wüßte, was er da bekämpfte …! Auch wenn sein Eindruck stimmte, daß das Ding finster und wütend war (er hatte solche anthropomorphen Kategorien lange vermieden, bis ihm klargeworden war, daß er damit die subtile Unberechenbarkeit seines Feindes unterschätzte), hatte er damit das Wesen des Betriebssystems bei weitem nicht erfaßt.
    Der Teil, mit dem er am unmittelbarsten zu tun hatte, das Sicherheitsprogramm, das ihn nach Kräften umzubringen versuchte, war nur einer der Köpfe dieses

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