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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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die Methoden, mit denen die schlechten Eßgewohnheiten in der Ersten Welt bisher bekämpft wurden, praktisch auf den Kopf stellen.
    (Bild: Claudia Jappert, Forscherin im Institut Candide)
    Jappert: »Manche Leute können sich einfach nicht gesünder ernähren, auch wenn sie’s noch so sehr versuchen. Wir halten nichts von erhobenen Zeigefingern, und wir sind strikt dagegen, Menschen wegen ihrer persönlichen Unzulänglichkeiten zu bestrafen, vor allem nicht, da wir heute fest davon überzeugt sind, daß wir anstelle der Ernährung den Körper direkt optimieren können. Wenn ein paar kleine genetische Korrekturen die Menschen dazu befähigen, ohne Reue eine Kost mit zuviel gesättigten Fettsäuren, Zucker und Fleisch zu genießen, warum sollten sie dann unnötig an lebensverkürzenden Krankheiten leiden müssen …?«
     
     
    > Die Tränen waren versiegt. Olga konnte nur noch warten. Das einzige, was sie hörte, innen wie außen, war das Rauschen eines leeren Kanals. Sie hatte ihre Verbindung zu Sellars bis zum Anschlag aufgedreht – zuletzt war er so leise geworden, daß sie ihn kaum mehr verstehen konnte –, und jetzt empfing sie nichts als das Geräusch seiner langen Abwesenheit.
    Vielleicht liegt es an mir, dachte sie trübsinnig. Vielleicht höre ich einfach nichts mehr.
    Bevor sie sich in den Turm eingeschlichen hatte, war sie in dem Glauben gewesen, daß sie mit allem abgeschlossen hatte, aber in wenigen Minuten hatte sie einsehen müssen, wie albern dieser Glaube gewesen war. Dreißig Jahre lang hatte sie einer furchtbaren Lüge geglaubt, hatte ihr Leben auf diese Lüge gebaut und sich damit abgefunden wie mit einem baufälligen, aber altgewohnten Haus. Jetzt war das Haus eingestürzt.
    Wie oft hat mein Junge geweint? Und niemand ist zu ihm gekommen. Sie konnte sich nicht rühren, konnte nicht die Augen öffnen. Wenn ich’s doch nie erfahren hätte! Etwas Schlimmeres kann es nicht geben.
    Über die Verbindung zu Sellars wisperten ihr weiterhin nur die Geister der Elektronen ins Ohr, die Phantomstimmen der Quanten. Sie versuchte, sich ein solches Leben vorzustellen, ein lebenslanges Lauschen auf eine derartige Leere, ohne überhaupt zu wissen, daß man ein Mensch war. Daß dieses Schicksal ihren Sohn getroffen hatte, daß von allen Müttern, die je gelebt hatten, ausgerechnet ihr ein solches Grauen beschieden war…
    Das Licht hatte sich verändert. Durch die Ritzen zwischen den Fingern erspähte Olga eine dunkle Masse, den breiten schwarzen Streifen eines bewegten Schattens. Ihr Herz machte einen Sprung, drohte vollends auszusetzen.
    Hat Sellars ihn hierhergebracht? Aber wie? Es war nur ein blitzartiger Gedanke im Umdrehen, eine Aufwallung von Angst und Hoffnung, die absurd war, das wußte sie, aber dadurch wurde die kolossale triefende Erscheinung, die auf sie zugeschlurft kam, nur noch unbegreiflicher.
    »Ha-oo.« Große Zähne bleckten aus einem breiten Grinsen. »Ha-oo, kei-e Hhau.«
    Der dicke Mann brachte nur breiige Laute heraus; er schien seinen klobigen Unterkiefer nicht richtig bewegen zu können. Er schleifte Fiberglaskabel und Versorgungsschläuche hinter sich her wie ein von Seetang umwundenes Tiefseeungeheuer. Auf der bleichen Haut seiner wabbelnden Fleischpakete schillerte eine glitschige Schmiere.
    Hinter ihm stand der Deckel seines schwarzen Sarkophages offen.
    Auf der anderen Seite von Jongleurs großem Behälter in der Mitte war noch ein anderer Deckel hochgeklappt. Der Insasse wollte offenbar heraussteigen, denn knochige Hände begrabbelten den Rand.
    Der dicke Mann machte abermals einen schlurfenden Schritt und hob einen mächtigen, fleischigen Arm. Olga taumelte zurück. Er war langsam, wurde aber schneller. Selbst in dem gedämpften Licht sah sie die schleimigen Fußabdrücke hinter ihm auf dem Teppich, wie die Spur einer riesigen Schnecke. »Lauf nich weg«, sagte er. Seine Aussprache wurde besser, aber nicht viel. »Wiä waan ganch lange in hen Hingern ha. Kein wißchen Swaß gehab. Hinney? Wo wisu?«
    Eine andere Gestalt stand jetzt aufrecht in dem zweiten Behälter, ein nackter Mann, klapperdürr, aber ansonsten viel normaler aussehend. Er wandte sich dem Dicken zu und blinzelte ihn triefäugig an. »Ich k-k-kann nichs sehn …«, klagte der Dünne. »Wos … mei-e … Wille …?«
    Der Dicke lachte. Blauer Schaum glänzte auf seinen Lippen und seinem Kinn. »Keine Wange, Hinney, du regs dich imme chuviel auf. Du bauchs keine Bille. Ich hal sie fess … dann köpfsu … knöpfs

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