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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Ramsey nur Vermutungen anstellen konnte.
    »Okay«, sagte er.
    »Wenn du keine unanständigen Wörter sagst, laß ich dich mit Prinz Pikapik spielen«, versprach Christabel.
    Er verdrehte die Augen, dann verzogen sich die beiden ins Nebenzimmer. Prozesse, Kriegsgericht, selbst ein lebender Toter auf dem Wandbildschirm – das alles waren langweilige Erwachsenensachen. Sie hatten wichtigere Dinge zu tun.
    »Gut«, meinte Sellars. »Besser könnte es gar nicht sein. Und jetzt müssen wir noch ein paar andere Fragen klären.«
    Das ist wirklich die Story des Jahrhunderts, sagte sich Ramsey und konnte es immer noch nicht ganz fassen. Ich frage mich, ob eines Tages, vielleicht in fünfhundert Jahren, die Leute historische Forschungen über das anstellen, was wir hier heute reden. Er blickte durch die offene Zimmertür. Der andere Wandbildschirm lief. Christabel lag auf dem Boden und redete mit einem Plüschtier. Cho-Cho schaute sich explodierende Autos an.
    Nein, dachte er und kehrte mit seiner Aufmerksamkeit wieder zu Sellars’ Ausführungen zurück. Die Leute werden sich nie im Leben an das alles erinnern, und wenn es noch so bedeutsam ist.
     
     
    > »Tut mir leid, daß ich zu spät komme. Ich bin erst einen Tag wieder da, und ich fühle mich immer noch ziemlich … daneben. Und du weißt ja, wie lahm die Busse in der Innenstadt sind.« Renie sah sich um. »Das Büro entspricht nicht ganz meinen Erwartungen.«
    Del Ray lachte und bedachte den fensterlosen Raum mit dem kleinen Bildschirm an der kahlen weißen Wand mit einer abschätzigen Bewegung seiner guten Hand. Sein anderer Arm war mit einer Schlinge fest an die Brust gezogen, und unter dem dicken Verband war die verletzte Hand nicht zu sehen. »Es ist nur vorübergehend – ich hab ein Auge auf ein viel schöneres im UN-Hauptgebäude am Farewell Square geworfen.« Er lehnte sich zurück. »Behörden sind was Komisches. Vor drei Monaten hätte man meinen können, ich wäre von einer ansteckenden Krankheit befallen. Jetzt tun auf einmal alle wieder so, als ob ich ihr bester Freund wäre, weil der Geruch einer Klage wegen ungerechtfertigter Entlassung in der Luft liegt und mein Gesicht in den Nachrichtennetzen ist.« Er sah sie an. »Aber dein Gesicht nicht. Das ist schade, es ist ein hübsches Gesicht, Renie.«
    »Ich lege keinen Wert darauf – auf die Aufmerksamkeit, meine ich, den ganzen Rummel. Ich bin müde. Ich will bloß meine Ruhe haben.« Sie ließ sich auf dem Stuhl nieder, der vor dem Schreibtisch stand. »Es ist ein Wunder, daß ich schon wieder gehen kann, aber diese altmodischen Tanks waren im Grunde genommen besser, als was einige der andern Leute im Netzwerk hatten. Wir konnten uns bewegen und haben daher keinen Muskelschwund bekommen, solche Sachen. Und wundgelegen haben wir uns natürlich auch nicht.«
    »Du mußt mir eines Tages von den andern erzählen. Ganz verstehe ich das immer noch nicht.«
    »Das wird dann ein langes Gespräch werden«, meinte sie. »Aber klar, mach ich. Es ist eine irre Geschichte.«
    »Was wir erlebt haben, genauso. Wie geht’s deinem Vater?«
    »Mumpft rum. Aber ein bißchen hat er sich auch verändert. Ich fahre übrigens von hier aus gleich weiter und statte ihm einen Besuch ab.«
    Er zögerte. »Und deinem Bruder?«
    Sie versuchte zu lächeln, doch es gelang nicht ganz. »Nach wie vor unverändert. Aber wenigstens kann ich ihn jetzt anfassen.«
    Del Ray nickte, dann schaute er suchend über den Schreibtisch und in die Schubladen. Im ersten Moment dachte Renie, er wolle beschäftigt tun – als diskrete Aufforderung an sie, zu gehen. »Ich glaube nicht, daß es in diesem Büro sowas wie einen Aschenbecher gibt«, sagte er schließlich. »Soll ich einen holen gehen?«
    Es dauerte etwas, bis der Groschen fiel. »Ach, weißt du, ich habe noch gar nicht wieder angefangen zu rauchen. Mittendrin, bei den Irrfahrten in diesem VR-Netzwerk, war ich so wild auf eine Zigarette, aber jetzt, wo ich draußen bin …« Sie rutschte nervös auf dem Stuhl nach vorn. »Irgendwie hat sich alles verändert. Aber ich will dich nicht von deiner Arbeit abhalten, Del Ray. Ich wollte mich nur persönlich dafür bedanken, daß du uns vor weiteren Verwicklungen bewahrt hast – mit dem Militär, der Polizei, überhaupt.«
    »Das ist noch lange nicht ausgestanden. Aber die Leute von der Armee wissen nicht, daß es Sellars war, der ihnen den Wink gegeben hat, und es ist ihnen mehr als peinlich, daß ein Haufen schwerbewaffneter Auftragskiller

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