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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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echten, tiefen Freude.
    So freut man sich nur, wenn man meint, jemand stirbt, aber dann tut sie’s doch nicht, dachte sie und versuchte, ihren Vater anzulächeln. Da war ein Gedanke, ein wichtiger Gedanke, aber er war für einen solchen Moment zu hoch und zu kompliziert. Wenn der Tod das Gesicht abwendet …
    Sie ließ den Gedanken fahren und überließ sich ihrem Glück.

Kapitel
Wichtigere Dinge
    NETFEED/MODERNES LEBEN:
    Robinette Murphy bleibt dabei
    (Bild: Auszug aus der FRM-Netzserie »Hinter der nächsten Ecke«)
    Off-Stimme: Die bekannte Hellseherin Fawzi Robinette Murphy, die die Unterhaltungswelt in Erstaunen setzte, als sie sich im Anschluß an ihre Prophezeiung vom unmittelbar bevorstehenden Ende der Welt zur Ruhe setzte, scheint es nicht im geringsten zu stören, daß ihr Stichtag für die Apokalypse verstrichen ist.
    (Bild: FRM im Interview mit Martin Boabdil von GCN)
    Boabdil: »Möchtest du nicht die Frist bis zum Untergang ein wenig verlängern?«
    Murphy: »Es spielt keine Rolle, was ich sage, was du sagst. Es ist passiert.«
    Boabdil: »Was ist passiert?«
    Murphy: »Das Ende der Welt.«
    Boabdil: »Tut mir leid, das verstehe ich nicht. Ist das hier etwa keine Welt, wo wir beide gerade sitzen?«
    Murphy: »Nicht dieselbe. Besser kann ich’s nicht erklären.«
    Boabdil: »Du hast das alles also … philosophisch gemeint? Jeden Tag endet die alte Welt und fängt eine neue an, so etwa? Tja, da ist vermutlich was dran.«
    Murphy: »Bist du so blöd, oder tust du nur so?«
     
     
    > Die Trauerfeier war kurz. Der Pfarrer, der bestellt worden war, um ein paar Worte zu sprechen, spürte deutlich, das etwas im Busch war, wovon man ihm nichts gesagt hatte, war aber lange genug im Geschäft, um nicht zu viele Fragen zu stellen.
    Er denkt wahrscheinlich, wir sind deswegen so gut gelaunt, weil wir den lieben Verstorbenen nicht besonders mochten oder weil wir im Testament sagenhaft gut weggekommen sind, sinnierte Ramsey, während er der Musik aus dem Lautsprecher lauschte. Na, zum Teil stimmt das sogar.
    Das einzige Gesicht in der winzigen Trauergemeinde, dessen Miene dem Anlaß ganz und gar entsprach, war das der kleinen Christabel – verwirrter Blick aus großen, tränennassen Augen. Ramsey und ihre Eltern hatten sich alle Mühe gegeben, es ihr zu erklären, aber sie war noch klein – sie konnte es nicht verstehen.
    Herrje, dachte er, ich verstehe es ja selber kaum.
    »Patrick Sellars war Pilot«, sagte der Pfarrer. »Er hat sich, wie ich höre, dem Dienst am Vaterland und an seinen Freunden mit selbstlosem Einsatz gewidmet, und obwohl er in diesem Dienst schwer verletzt wurde, verlor er niemals seine Güte, sein Pflichtgefühl … und seine Menschlichkeit.«
    Naaa ja …
    »Heute nehmen wir Abschied von seinen sterblichen Überresten.« Der Pfarrer deutete auf den schlichten weißen Sarg inmitten von Blumen – Frau Sorensens Werk. »Er war ein Gärtner«, hatte sie erklärt. »Blumen müssen sein.« »Aber der Teil von ihm, der unsterblich ist, lebt weiter.« Der Pfarrer räusperte sich – ein netter Mann, fand Ramsey, und völlig ahnungslos. Aber das würde er nie erfahren. »Vielleicht ist es gar nicht so gewagt, wenn wir uns vorstellen, daß er jetzt weiterfliegt, weiter zu einem Ort, den keiner von uns kennt, und Dinge sieht, die keiner von uns je gesehen hat, frei von der Last seines gelähmten Körpers, der Mühsal seiner harten Jahre. Er ist jetzt frei, wahrhaft frei zu fliegen.«
    Und das, dachte Ramsey, ist eine Ironie, die kaum mehr zu überbieten ist.
     
    »Sie haben eine kleine Überwachungskamera in der Ecke der Kapelle«, teilte Sellars ihnen mit, als sie zurückkamen. Auf dem Wandbildschirm sah er genauso aus wie seinerzeit im wirklichen Leben, doch er befand sich in einer völlig anderen Umgebung. Ramsey fand, daß die steinige Ebene und die schwachen Sterne hinter ihm ausgesprochen unheimlich wirkten, jenseitig geradezu. Er konnte sich nicht recht erklären, wieso Sellars sich so einen verrückten Hintergrund aussuchte, aber gleichzeitig das Bild seines alten, verkrüppelten Körpers beibehielt, es sei denn, er wollte damit das kleine Mädchen ein wenig beruhigen. »Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, mir die Trauerfeier anzuschauen«, fuhr der alte Mann fort. »Ich fand sie unerwartet bewegend.« Sein Lächeln war ein ganz klein wenig schalkhaft.
    »Aber wieso bist du tot?« Christabel war immer noch den Tränen nahe. »Ich versteh das nicht.«
    »Ich weiß, kleine

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