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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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dabei war, einen ihrer Stützpunkte zu erobern, ohne daß sie es überhaupt merkten, und deshalb wird es ihnen ganz recht sein, wenn der Mantel des Schweigens über das alles gedeckt wird. Und wie gesagt, alle Welt will sich jetzt gut mit mir stellen. Wichtige Leute.«
    Das gefiel ihm, erkannte sie. Mißgönnte sie es ihm? Sie glaubte nicht. »Bedanken möchte ich mich trotzdem. Nach alledem wäre ich, glaub ich, durchgedreht, wenn sie mich obendrein in eine Gefängniszelle gesperrt hätten.«
    »Ich auch«, lachte er. »Als ich das erste Mal den Himmel wieder gesehen habe, bin ich in Tränen ausgebrochen.«
    »Ich hatte nicht mehr viel Tränen übrig«, sagte Renie. »Aber ich kenne das Gefühl gut.« Sie stemmte sich vorsichtig hoch. Wie eine alte Frau, dachte sie. »Wie gesagt, ich will dich nicht weiter stören, Del Ray. Außerdem muß ich mich ranhalten, wenn ich meinen Bus kriegen will.«
    Er faßte mit der guten Hand in seine Jackentasche. »Hier, Renie. Nimm um Gottes willen ein Taxi. Ein echtes.«
    Das tat weh. »Ich will nicht noch mehr Geld von dir haben, Del Ray.«
    Auch er bekam einen gekränkten Blick, dann schüttelte er langsam den Kopf. »Du verstehst das falsch. Das Geld kommt nicht von mir, und es wird noch viel mehr kommen. Ich habe mich mit unserm Freund Sellars unterhalten, solange du nicht zu erreichen warst. Er hat mich an einen Mann namens Ramsey vermittelt. Du wirst eine Überraschung erleben, Renie. Aber glaub mir, Sellars würde wollen, daß du mit dem Taxi fährst. Nimm das.«
    Sie starrte einen Moment lang die Karte an, dann nahm sie sie. »Okay. Aber nur dies eine Mal, weil meine Beine weh tun.«
    Mit einem Lächeln trat er um den Schreibtisch herum. »Immer noch die Alte.« Er streckte die Arme aus, und sie ließ sich umfangen. Sie legte kurz den Kopf an seine Brust, doch plötzlich war ihr das unangenehm, und sie wollte zurücktreten. Er hielt sie mit sanfter Gewalt fest, hauchte ihr einen Kuß auf die Backe und blickte ihr dann ins Gesicht. »Und dein neuer Mann?« fragte er. »Ist es was Ernstes?«
    »Ja, ich denke schon. Ja. Ich treffe ihn gleich im Krankenhaus. Er zieht bei seiner Vermieterin aus. Wir suchen uns zusammen eine Wohnung.«
    Er nickte. Sie fragte sich, ob sie sich die leise Traurigkeit in seinem Lächeln nur einbildete. »Aha. Na, dann wünsche ich euch beiden viel Glück. Aber laß uns Freunde bleiben, ja? Ich sag das nicht bloß so – dafür haben wir zuviel zusammen durchgemacht.«
    Sie betrachtete den dicken weißen Verband, den er um Hand und Unterarm hatte. Die Ärzte hatten ihm zwei Finger wieder angenäht, hatte er ihr am Fon erzählt, aber sie waren arg zugerichtet gewesen, und es bestand wenig Hoffnung, daß er sie je wieder richtig gebrauchen konnte. Alle werden wir nicht mehr dieselben sein, dachte sie. Nie wieder. »Ich weiß, Del Ray.« Sie machte sich los, aber tätschelte ihm zum Abschied die Backe. »Und vielen Dank.«
    »Noch eins, Renie«, sagte er, als sie an der Tür war. »Laß dir Zeit damit, eine Wohnung zu mieten.«
    Erneut kochte der Ärger in ihr auf. »Du denkst, es wird nicht gutgehen?«
    Er lachte. »Nein, nein. Ich wollte damit bloß sagen, du könntest die Entdeckung machen, daß dir mehr Wohnmöglichkeiten offenstehen, als du denkst.«
     
    Es war eine interessante Erfahrung, den Betrag, den sie zu zahlen hatte, einfach auf dem Bildschirm des Taxis zu sehen. Ist das das Normale? überlegte sie, während sie die Karte vor den Leser hielt und ein Trinkgeld für den Fahrer dazugab. Für Leute, die Geld haben? Daß einfach alles … läuft?
    Das Klinikum Durban Outskirt war völlig verändert, seitdem die Quarantäne aufgehoben war. Besucher tummelten sich im Foyer oder saßen in den Wartebereichen in kleinen Gruppen müder Verwandter und quengelnder Kinder zusammen. Die Ärzte, Schwestern und Pfleger sahen wie Menschen aus statt wie Wesen von einem anderen Stern. Wenigstens haben sie den Impfstoff jetzt, dachte sie. Wenigstens muß ich nicht mehr befürchten, Stephen könnte Bukavu kriegen. Es war kein großer Trost.
    Sie hielt die Tüte wie ein rohes Ei, während sie im Aufzug nach oben fuhr. Ihr war zumute, als ob sie sich in einem unbeobachteten Augenblick in jemand anders verwandelt hätte. Wieso eigentlich? Alle sind letztlich dieselben geblieben – dieselbe Renie, derselbe Papa, derselbe kranke Stephen. Während wir weg waren, hat sich die Welt einfach weitergedreht. Aber verändert hat sich nichts.
    Nur ihre Gefühle für !Xabbu

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