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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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ihre Erregung kaum unterdrücken. »Es geht mir nicht aus dem Kopf, was Sam da eben gesagt hat. Nicht daß wir ihm den Schädel aufschlagen sollten, aber vielleicht sollten wir Gewalt anwenden. Wenn er genauso an einen virtuellen Körper gefesselt ist wie wir, dann ist er verletzbar – und wir sind in der Überzahl. Sind wir es nicht all den Kindern und unsern Freunden schuldig, daß wir aus ihm herausquetschen, was er weiß? Selbst wenn wir ihn dafür … foltern müssen?«
    !Xabbu machte ein bestürztes Gesicht. »Der Gedanke gefällt mir nicht, Renie.«
    »Mir auch nicht, aber was ist, wenn hier wirklich das Schicksal der Welt auf dem Spiel steht?« Sam war ein paar Schritte zurückgefallen, und Renie senkte jetzt ihre Stimme und berührte mit dem Mund beinahe !Xabbus Ohr, obwohl das die Gefahr beim Gehen noch erhöhte.
    »Es hört sich melodramatisch an, aber es könnte wahr sein! Was ist, wenn wir gar keine andere Wahl haben? Müssen wir es nicht wenigstens in Erwägung ziehen?«
    !Xabbu gab keine Antwort. Er sah, sofern das möglich war, noch erschöpfter aus als vor ihrer Rast.
     
    Renie hatte natürlich Verständnis dafür, daß !Xabbu nicht einmal über die Möglichkeit sprechen wollte, Jongleur zu foltern, um Informationen aus ihm herauszubekommen, nicht allein aus Abscheu davor, was eine solche Tat aus ihnen machen würde, sondern auch aus echter Furcht vor ihrem möglichen Ausgang. Jongleur war ein harter, skrupelloser Mann. Wenn sie sich anschaute, wie er mit festem Schritt vor ihnen herging und wie die langen, stählernen Muskelstränge unter seiner nackten Haut spielten, dann hatte sie den Verdacht, daß der Versuch, ihn gefügig zu machen, nicht ohne Verluste auf ihrer Seite abgehen würde – ein Preis, den zu zahlen Renie nicht bereit war. Und obwohl Ricardo Klement bis jetzt an nichts Anteil genommen hatte, war das keine Garantie dafür, daß er untätig zusehen würde, wenn sie über Jongleur herfielen. Doch selbst gesetzt den Fall, es glückte ihnen, den Gralsherrn zu überwältigen und ihm mit Schmerzen oder sogar dem Tod zu drohen, was dann? Sie war sich nicht hundertprozentig sicher, daß Jongleur einer virtuellen Hinrichtung tatsächlich in gleicher Weise ausgeliefert war wie sie und ihre Gefährten; vielleicht tat er aus irgendeinem verborgenen Grund nur so und wurde lediglich in einen anderen Sim transferiert, wenn er hier starb, oder in seinen uralten physischen Körper. Dann hätten sie jede Aussicht auf Aufklärung verspielt, ganz zu schweigen davon, daß sie erfolglos versucht hätten, den mächtigsten Mann der Welt umzubringen – nicht gerade eine Gewähr für langfristige Sicherheit.
    Sie wollte und konnte die Möglichkeit nicht ausschließen, Gewalt gegen ihn zu gebrauchen – nicht solange das Leben von Stephen und zahllosen anderen auf dem Spiel stand –, aber alles in allem war es ein Risiko, das sie nicht eher eingehen wollte, als bis alle anderen Mittel versagt hatten.
    Aber was dann? Wenn Jongleur ein normaler Mensch gewesen wäre, hätten sie mit ihm handeln, ihm Informationen, an denen ihm gelegen war, im Austausch geben können. Aber soweit sie sehen konnte, war das einzige Interesse, das er hatte, dieser Situation zu entkommen und Rache an seinem rebellischen Diener Dread zu nehmen. Keines von beiden konnte Renie ihm verschaffen.
    Was also gibt man einem Mann, der alles hat? dachte sie säuerlich. Gab es auch für Jongleur etwas, das er unbedingt wissen mußte? Etwas, das Renie und ihre Gefährten ihm geben konnten? Das ihn möglicherweise interessierte?
    Seine Tochter, kam es ihr plötzlich. Wie paßt sie da rein? Mit einemmal war Renie klar, was sie die ganze Zeit über irritiert hatte. Alles, was sie tut, geschieht offenbar nicht in der Absicht, ihrem Vater zu helfen. Eher im Gegenteil. Hat Paul nicht gesagt, daß Jongleurs Gorillas auf ihn Jagd gemacht haben? Aber wie es aussieht, hat sie versucht, Paul vor den Zwillingen in Sicherheit zu bringen, obwohl sie ihn zweifellos hätte ausliefern können, wenn sie gewollt hätte. Ja, er hat sogar gemeint, sie fürchte sich genauso vor ihnen. Wie also stand sie zu Jongleur? Auf jeden Fall sah es nicht nach einem normalen Vater-Tochter-Verhältnis aus.
    Irgend etwas war da faul, ganz sicher. Dankbar fühlte Renie, wie neue Energie sich in ihr regte. Sie hatte wieder etwas, woran sie kauen konnte, eine sinnvolle Betätigung für ihr Gehirn.
    Im Grunde wissen wir gar nichts über diese Ava. Wieso um alles in der Welt war sie

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