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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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davon haben wir dir auch das Leben gerettet. Das alles hat nichts damit zu tun, wovon ich rede. Also?«
    Auch Sam setzte sich jetzt auf, ein Kind, dem es langsam zur traurigen Gewohnheit wurde, sich beim Aufwachen in bizarren Situationen wiederzufinden. Dennoch beobachtete sie diesmal das Geschehen mit einer eigentümlich fiebrigen Intensität. !Xabbu rutschte näher an das Mädchen heran, vielleicht um zu verhindern, daß sie sich bei diesem heiklen diplomatischen Drahtseilakt einmischte. Sein Vertrauen stärkte Renie.
    »Was willst du wissen?« fragte Jongleur. »Und was hast du zu bieten?«
    »Was wir zu bieten haben, weißt du bereits. Paul Jonas. Wir kennen ihn, wir kennen ihn gut. Wir waren sogar mit ihm zusammen unterwegs.« Sie sah genau hin und wurde von einem Flackern tief in Jongleurs Augen belohnt. »Wie wär’s, wenn du uns was vom Andern erzählst?«
    »Ach. Das eine oder andere habt ihr also mitgekriegt.«
    »Nicht genug. Was ist das für ein Ding? Wie funktioniert es?«
    Sein Lachen war jäh und scharf wie ein Haifischbiß. »Du mußt beschränkter sein, als ich dachte. Ich habe für die Entwicklung dieses Systems Summen ausgegeben, neben denen das Sozialprodukt deines armseligen Landes gar nicht ins Gewicht fällt, habe Jahre meines Lebens drangegeben und Dutzende von Leuten umbringen lassen, um meine Investition zu sichern. Meinst du wirklich, ich würde das für nichts verraten?«
    »Nichts? Ist Paul Jonas wirklich nichts?« Sie runzelte die Stirn – sein Gesicht war wieder eisig geworden. »Er war bei uns, was sagst du dazu? Neulich oben auf dem Gipfel, als die ganze Chose den Bach runterging, warst du nur ein paar Meter von ihm entfernt.« Sie sah seine ungläubige Miene und lachte rauh. »Aber ja! Er war vor deiner Nase, und du wußtest es nicht mal.«
    Jongleur hatte an der Vorstellung sichtlich zu schlucken. Zum erstenmal sah sie in seiner Fassade der Stärke einen deutlichen Riß, einen Anflug von Gebrochenheit. »Und wenn schon«, sagte er schließlich. »Jetzt ist er nicht hier. Ich will Jonas selbst haben, keine alten Geschichten über ihn. Kannst du ihn mir ausliefern?«
    Renie zögerte einen Moment, unsicher, wie sie taktieren sollte. »Vielleicht.«
    Ein freudloses Lächeln trat langsam in Jongleurs Gesicht. »Du lügst. Das Gespräch ist beendet.«
    Erbittert faßte Renie den Schwertgriff fester. »Ach ja? Bevor wir überhaupt Gelegenheit hatten, über deine Tochter Ava zu reden?«
    Zu ihrem Erstaunen prallte Jongleur einen Schritt zurück. Alles Blut wich aus seinem Gesicht, und seine dunklen Augen schienen fast aus den Höhlen zu treten. »Wenn du noch einmal vor mir ihren Namen aussprichst, bringe ich dich um, ganz gleich, ob du ein Schwert hast«, stieß er heiser flüsternd hervor. Er konnte nur mit äußerster Mühe die Fassung bewahren, und Renie mußte sich zusammennehmen, um ihm weiter die Stirn zu bieten. »Du hast von nichts eine Ahnung… von gar nichts. Kein … kein einziges Wort mehr! Hörst du?« Er wandte sich ab und trat auf den Weg hinaus. Bevor er aus ihrem Blickfeld verschwand, fuhr er noch einmal herum und richtete einen zitternden Finger auf sie. »Kein Wort!«
    Als er fort war, herrschte Schweigen in der kleinen Höhle. Sam sah Renie mit großen Augen an.
    »Okay.« Renie war auf einmal sehr wacklig zumute. »Okay, wenn er es so haben will. Er ist sowieso ein dreckiger Mörder, groß Freundschaft schließen werden wir eh nicht.« Sie zögerte kurz, dann reichte sie Sam den Schwertstumpf. »Da. Falls er so wütend ist, daß er mich in den Abgrund stößt oder sowas. Paß gut drauf auf.«
    »Chizz«, sagte Sam mit gedämpfter Stimme.
     
    Jongleur ging stundenlang weit vor ihnen, Schultern steif, Blick starr geradeaus, doch er blieb fast immer in Sichtweite. Ein Teil von Renie wollte sich über dieses Verhalten lustig machen – der mächtigste Mann der Welt, der über zahllose Leichen gegangen war, um im Konkurrenzkampf zu siegen, hatte ihnen den Rücken gekehrt wie ein beleidigtes Kind, wenn das Spiel nicht nach seinem Kopf lief. Aber dieser hohle Hohn, erkannte sie, entsprang der Furcht vor dem Mann und dem verzweifelten Bemühen, sich selber Mut zu machen. Ein vernünftigerer Teil von ihr war sich darüber im klaren, daß sie einen wunden und extrem gefährlichen Punkt tief in Jongleur berührt hatte. Seine jähen Zornausbrüche kannte sie mittlerweile, aber dies war etwas anderes gewesen, eine eiskalte Wut, die wohl kaum verfliegen würde.
    Wie es aussah,

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