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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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notorisch viele hatte, so bei ihr hängengeblieben und plagte sie wie ein Splitter, der sich immer weiter unter die Haut bohrte? More Dread. More Dread. Wo hab ich das schon mal gehört?
    Die Aufnahme aus dem Feverbrook Hospital fiel ihr ein, die verschwommene dunkle Gestalt, das formlose, rauchige Gesicht.
    Ein Geist, hat 3Big Pike gemeint. Wenn es einen gibt, der als Geist wiederkommen kann…
    Sie schloß die Augen, öffnete sie, aber die vertraute Umgebung ihrer Wohnung konnte das Gefühl nicht verdrängen, beobachtet zu werden. Verfolgt.
     
     
    > Sie stand wieder auf dem Balkon. Der Turm zog sie an, als wäre sie ein Nachtfalter und das ungeheure schwarze Gebilde eine Art negatives Licht. Selbst jetzt, wo die Stimmen fort waren und sie in gewisser Weise weiter davon entfernt war als in Juniper Bay, kam sie nicht davon los.
    Ein Ring roter Signallichter umgab die Spitze wie ein Kranz aus glühenden Kohlen, und in den oberen Etagen brannte in ein paar Fenstern Licht, einzeln und in kleinen Zeilen. Ansonsten stach er nur deshalb vom nächtlichen Himmel ab, weil die Suchscheinwerfer, die über den leeren Parkplatz und die Reihen markierter Buchten glitten, auch die unregelmäßig geformte, spiegelnde Außenfläche bestrichen.
    Die Stimmen waren fort. Die Kinder waren fort. Waren sie ein und dasselbe? Olga Pirofsky war schon so lange in der traumhaften Unwirklichkeit ihrer Reise nach Süden versunken, daß sie sich nicht mehr genau erinnern konnte. Außerdem war sie erschöpft. Die Nächte, in denen die Kinder ihr im Traum Fetzen aus ihrem Leben ins Ohr geflüstert, sie gezogen und gedrängt hatten, waren seltsamerweise viel erholsamer gewesen als die nachtschwarzen Stunden nach ihrem Verstummen. Jetzt fühlte sie sich jeden Morgen beim Aufwachen stumpf und hohl, ein wenig wie ein Heliumballon, der den letzten Auftrieb verloren hatte und nur noch schlaff und nutzlos auf dem Teppich herumrollte.
    Und was jetzt? fragte sie sich. Sie konnte die Augen nicht von dem Turm abwenden – der Mittelpunkt seines eigenen dunklen Reiches. Nach Hause fahren? Mich umbringen?
    Aber sie hatte kein Zuhause mehr. Mischa war fort, und Juniper Bay schien auf einem anderen Planeten zu liegen – genau wie der Zirkus, wie die schönen, süßen, gemordeten Tage, als sie noch mit Aleksander zusammengewesen war. Und die Menschen, die ihr vielleicht hätten helfen können, hatte sie von sich gestoßen, Roland McDaniel und die wenigen anderen befreundeten Arbeitskollegen, Herrn Ramsey, diesen netten Anwalt. Sie hatte nur noch das Schweigen.
    Die Stimmen hatten sie praktisch bis zum Fuß dieses unheimlichen schwarzen Berges geführt und sie dann im Stich gelassen. Irgendwie war das alles verflochten – die Kinder, der Turm und die grinsende, leichenweiße Grimasse von Onkel Jingle, die Maske, die sie selbst so lange getragen hatte, daß sie sich fragte, ob ihr Gesicht darunter nicht vielleicht davon verformt worden war.
    Sie klappte das Pad auf und setzte sich an den winzigen Preßspanschreibtisch ihres Motelzimmers. Mehrmals wanderte ihr Blick zum Fenster, und schließlich ließ sie mit einem Händeklatschen die Vorhänge zugehen, weil sie mit diesem finster drohenden Finger vor Augen nicht denken konnte.
    Müde, aber froh, eine Entscheidung getroffen zu haben, begann Olga ohne vorheriges Überlegen, ihren Abschiedsbrief an die Nachwelt zu schreiben.

Kapitel
Selbstgespräche mit Apparaten
    NETFEED/NACHRICHTEN:
    Erneuter tödlicher Rocketboard-Unfall erregt die Gemüter
    (Bild: Jugendliche auf ihren Brettern in der Skate Sphere im Londoner Clissold Park)
    Off-Stimme: In Großbritannien reißt die Serie tragischer Unglücksfälle durch Rocketboard-Fahrer nicht ab. Nach dem jüngsten Vorfall wird im Parlament über ein Verbot dieser »gefährlichen Irrsinnsdinger« nachgedacht, wie ein Abgeordneter die Bretter nannte. Die meisten Boarder jedoch sind da ganz anderer Meinung.
    (Bild: Aloysius Kenneally, 16 Jahre, vor der Bored!-Filiale in Stoke Newington)
    Kenneally: »Voll daneben ist das. Die meisten, wo abschrotten, sind so vierzigjährige Bürogreise. Wollen am Wochenende mal die Sau rauslassen, bong? Abfetzen, ’ne Oma cräshen, in ’ne Aerobusschraube reinzacken. Hackt nicht auf uns rum, wenn so’n alter Knacker, dem das Fahren verboten gehört, ’nen Mikro wegbrettert …«
     
     
    > Es war wie ein Horrorfilm, nur schlimmer, denn es passierte wirklich.
    Winzige Menschlein standen angstschlotternd vor einem gräßlichen Monster, einer

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