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Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Otherland 4: Meer des silbernen Lichts

Titel: Otherland 4: Meer des silbernen Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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wie der verkörperte Tiefsinn. Was willst du dafür? Schweizer Kredite? Immobilien?« Er blickte auf den Bildschirm, auf dem ein dunkelhäutiger, dünner, von Narben verunstalteter Mann zu sehen war. Der Raum, in dem der Gefangene saß, war leer bis auf einen alten Tisch und mehrere Stühle, die Wände mit grauenhaft heiteren orange Fibramicfliesen gekachelt, von denen Graffiti leicht abzuwischen waren und auch, wie es hieß, Blut. »Apropos mehr wert, ist das unser Freund 3Big?«
    Stan war morgens manchmal schwer zu verkraften, auch wenn Calliopes Kopf gerade einmal nicht so surrte, als ob sie sich ein paar superdröhnige Elektrohits reingepfiffen hätte. »Kannst du ein bißchen leiser reden? Ja, das ist er. Hat die Nacht in der Zelle verbracht, und jetzt werden wir ein Schwätzchen mit ihm halten.«
    »Reizend.« Ihr Partner war tatsächlich beängstigend gut gelaunt. Sie fragte sich, ob er vielleicht eine neue Bekanntschaft gemacht hatte. »Darf ich fies sein? Meine Nummer fahren?«
    »Deine Nummer.«
    »Du bist ein Schatz.« Dann beäugte er sie stirnrunzelnd und piekste ihr in die Rippen. »Du hast deine Balli nicht an, Skouros.«
    »Im Revier?« Die gelgefüllte ballistische Weste, in Kollegenkreisen auch als »kugelsicheres Leibchen« bezeichnet, war ihr zuwider.
    »Vorschrift. Schließlich könnte sich unser Freund da in der Zelle aus Seife und Teppichflusen ’ne Pistole gebastelt haben.«
    »Ja, genau. Kein Wunder, daß du deine gern anziehst, du siehst damit richtig aus, als ob du Muskeln hättest. Mich macht sie bloß dick.«
    »Für mich bist du einfach der mollige Engel der Gerechtigkeit.« Sein Gesicht wurde einen Moment lang ernst. »Du mußt das Ding wirklich tragen, Skouros.«
    »Okay, mach ich. Und jetzt an die Arbeit, du großer Fiesling.«
    Mit einem Fingerschnalzen machte Stan die grüne Zimmerbeleuchtung aus, so daß hinter ihnen in der Tür nur Dunkel zu sehen war, als sie in den grellen Nebenraum mit den orangefarbenen Fliesen traten. Der Häftling blickte auf, doch außer einem geringschätzigen Herunterziehen der Unterlippe blieb sein Gesicht ausdruckslos. Calliope war das nur recht – sie fand es unterhaltsamer, wenn einer den harten Mann markierte.
    »Guten Morgen, Edward«, grüßte sie freundlich, als sie und Stan sich auf den Stühlen gegenüber von dem Häftling niederließen. »Ich bin Detective Skouros, das ist Detective Chan.«
    Der dunkle Mann erwiderte nichts, aber fuhr mit einem Finger die langen Narben auf seiner Backe nach.
    Calliope spielte die Verwirrte. »Ja bist du etwa nicht Edward Pike? Ich bin sicher, daß dies das richtige Vernehmungszimmer ist.« Sie wandte sich Stan zu. »Tja, dann muß der Mann wohl in die Zelle zurück, und wir prüfen nach, was da falsch gelaufen ist.«
    »Kein Schwein nennt mich Edward, nur meine Mutter, und die ist seit zwei Jahren tot«, sagte er mürrisch. »3Big ist mein Täg. 3Big.«
    »Ja, das ist er, keine Bange«, bemerkte Stan. »Mieser kleiner Straßenpenner, frisch aufgegriffen mit sechs Dutzend Kassetten Jak-Knocker in ’nem umfunktionierten Patronengürtel, indonesisches Charge, offensichtlich zum Weiterverkauf bestimmt. Dafür kriegst du zehn Jahre, 3Boy, und nicht in einem von den lockeren Läden.«
    »Es war zum persönlichen Gebrauch, tick?« Der Widerspruch war pro forma – alle wußten, daß vor dem Eintreffen des Pflichtverteidigers alles nur Schattenboxen war. »Brauch ich zum Runterkommen. Hab’n schweren Hänger, äi.«
    Stan machte ein Speigeräusch. »Ich wein gleich. Die Richterin guckt dich einmal an, liest nach, daß du keinen halben Kilometer von ’ner Schule weg warst, und dann dürfen wir dich auf einen der Müllkähne verladen und im Ozean versenken.«
    Calliope sah ein paar Minuten lang schweigend zu, wie ihr Partner nach allen Regeln der Kunst den Aggressiven mimte. Edward »3Big« Pike war ein Gewohnheitstäter und kannte deshalb das Spiel genausogut wie Stan. Er war keiner von ihren ganz üblen Kunden – viele Vorstrafen wegen unerlaubtem Besitz und einmal längere Zeit in Silverwater wegen Dealen, aber soweit sie wußte, hatte er noch nie jemanden umgebracht, der vorher nicht ihn hatte umbringen wollen, was ihn für Darlinghurst-Road-Verhältnisse praktisch zum Robin Hood machte. Er stand im Ruf, ein bißchen gewitzter zu sein als der Durchschnittsganove in King’s Cross, und die Tatsache, daß er nur einmal wegen Dealen gesessen hatte, bestätigte das. Calliope überlegte, ob er sich darauf vielleicht

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