Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher)
wurde geholfen .«
»Nicht aber Lucy Anderson. Sie wurde aus Despair vertrieben.«
»Wie ich schon sagte, weiß die Linke nicht, was die Rechte tut.«
»Und Ramirez ist ermordet worden.«
»Nicht ermordet. Sie haben ihn nur hilflos sterben lassen.«
»Weshalb sollten sie einem helfen und den anderen abweisen?«
»Wozu überhaupt abweisen? Wieso haben sie ihn nicht einfach wie Lucy und mich an die Gemeindegrenze gebracht?«
Vaughan trank einen Schluck Wasser.
»Weil er irgendwie anders war«, sagte sie dann. »In eine andere Kategorie gefallen ist. Auf bestimmte Weise gefährlicher für sie.«
»Wieso haben sie ihn nicht gleich beseitigt? Ihn verschwinden lassen? Das Ergebnis wäre das gleiche gewesen.«
»Das verstehe ich auch nicht.«
»Vielleicht täusche ich mich«, meinte Reacher. »Vielleicht ist er nicht abgewiesen, gar nicht vertrieben worden. Vielleicht haben sie nie gewusst, dass er da war. Vielleicht ist er an der Peripherie geblieben, hat sich nicht blicken lassen, hat versucht, einen Weg hinein zu finden. Verzweifelt genug, um es immer wieder zu versuchen, nicht gut genug, um Erfolg zu haben.«
»Oder beides«, sagte Vaughan. »Vielleicht haben sie ihn geschnappt, aber er konnte entkommen.«
»Möglich. Die Cops waren echte Komiker.«
»Also hat er sich dort herumgetrieben, weil das irgendwie notwendig war, aber er musste sich verstecken. Dann hat er sich mit der Zeit vertan. Er wusste, dass er Hilfe brauchte, und wollte dorthin, aber unterwegs ist ihm die Kraft ausgegangen.«
»Möglich«, sagte Reacher noch mal.
Vaughan nahm ihre Hand vom Tisch.
»Wir müssen herausfinden, was er wirklich war«, sagte sie. »Wir müssen mit Maria reden.«
»Die erzählt uns nichts.«
»Wir können’s versuchen. Wir finden sie im Restaurant. Dort treffen wir uns später.«
»Wann später?«
»Wir brauchen beide erst mal Schlaf.«
Reacher sagte: »Darf ich Sie etwas Persönliches fragen?«
»Bitte sehr.«
»Ist Ihr Mann im Gefängnis?«
Vaughan machte eine kurze Pause, dann lächelte sie ein wenig überrascht und traurig.
»Nein«, sagte sie. »Das ist er nicht.«
41
Reacher ging allein in das Motel zurück. Zwei Blocks hinauf, drei Blocks hinüber. Die Sonne stand hoch. Der Vormittag war halb vorbei. Lucy Andersons Tür stand offen. Draußen parkte der Wagen eines Zimmermädchens. Das Bett war abgezogen, und alle Handtücher lagen auf dem Boden. Der Kleiderschrank war leer. Sie ist abgereist, glaube ich, hatte die Bedienung im Restaurant gesagt. Reacher blieb einen Augenblick stehen, dann ging er weiter. Alles Gute, Lucky, dachte er, was, zum Teufel, du auch tust, wohin, zum Teufel, du unterwegs bist. Er schloss seine Tür auf, duschte heiß und lange und ging ins Bett. Binnen einer Minute schlief er. Der Kaffee machte ihm nicht im Geringsten zu schaffen.
Als er um kurz vor vier Uhr nachmittags aufwachte, beschäftigte ihn die Militärpolizei. Ihr vorgeschobener Stützpunkt. Ihre Lage. Ihre Geräteausstattung. Das Ganze kam ihm wie eine der Taktikaufgaben während seiner Ausbildung in Fort Rucker vor.
Wozu diente der Stützpunkt?
Wieso lag er dort?
Die alte County Route 37 verlief von Ost nach West durch Hope, Despair, Halfway und bestimmt noch weiter. Reacher sah sie erst als Strich auf der Landkarte, aber dann stellte er sie sich als dreidimensionales Gebilde auf einem Bildschirm vor – als grünliches Netzwerk aus Entwicklungsstadien. Anfangs war sie nur eine Fahrspur für Planwagen gewesen. Zerfurchte Erde, zermalmte Steine, Rillen, Unkraut. Dann hatte man sie minimal ausgebaut, als das Model T aus Dearborn das Land überschwemmte. Wenig später wurde sie von der Hope Township aus Bürgerstolz zehn Meilen weit auf eigene Kosten ausgebaut. Die Leute aus Hope hatten gewissenhafte Arbeit geleistet. Sie hatten das Straßenbett erneuert, den Verlauf begradigt und die Fahrbahn wohl auch etwas verbreitert. Dann war eine dicke Asphaltschicht aufgebracht und festgewalzt worden.
Die Despair Township hatte jedoch nichts dergleichen getan. Thurman, sein Vater und sein Großvater – oder wem auch immer die Stadt früher gehörte – hatten die Straße vernachlässigt. Vielleicht hatten sie alle zehn Jahre widerstrebend eine Schicht Rollsplit aufbringen lassen, aber im Prinzip war sie noch dieselbe Straße wie damals, als Henry Ford die Welt regierte: schmal, wenig tragfähig, bucklig und kurvenreich.
Für Schwerlastverkehr ungeeignet.
Nur westlich der Metallrecyclinganlage nicht. Dort hatte
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