Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher)
ich habe dort zwei Tassen Kaffee getrunken. Eine im Restaurant, die andere im Haus des Richters.«
»Fühlen Sie sich noch gesund?«
»Natürlich. Und den Leuten in Hope scheint auch nichts zu fehlen.«
»Bisher nicht.«
Sie verstummte.
Er fragte: »Was gibt’s noch?«
»Maria ist verschwunden. Ich kann sie nirgends finden. Das neu angekommene Mädchen.«
42
Vaughan wartete an der offenen Tür, während Reacher seine Sachen nahm und sich im Bad anzog. Er rief nach draußen: »Wo haben Sie sie gesucht?«
»Überall«, rief Vaughan zurück. »Sie ist nicht hier im Motel, nicht im Restaurant, nicht in der Bücherei, sie ist nicht beim Einkaufen und kann sonst nirgends sein.«
»Haben Sie schon mit der Frau am Empfang gesprochen?«
»Noch nicht.«
»Zu der gehen wir als Erstes. Sie weiß alles.« Er knöpfte sich das Hemd zu, als er aus dem Bad kam. Das Hemd war eigentlich reif für die Mülltonne, aber es ließ sich noch immer schwer knöpfen. Reacher fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, kontrollierte den Inhalt seiner Taschen.
»Also los«, sagte er.
Am Empfang des Motels saß die Angestellte auf einem hohen Hocker hinter der Theke und arbeitete mit Kontobuch und Taschenrechner. Aber sie konnte ihnen keine brauchbaren Informationen geben. An diesem Morgen hatte Maria ihr Zimmer vor sieben Uhr verlassen: wie zuvor gekleidet, zu Fuß, nur mit ihrer Tasche über der Schulter.
»Sie hat vor sieben gefrühstückt«, sagte Reacher. »Das weiß ich von der Bedienung im Restaurant.«
Die Frau sagte, sie sei nicht zurückgekommen. Mehr wisse sie nicht. Vaughan verlangte den Schlüssel von Marias Zimmer. Die Angestellte händigte ihr sofort ihren Generalschlüssel aus. Ohne das geringste Zögern, ohne nach einem Durchsuchungsbefehl zu fragen oder die Berechtigung von Vaughans Forderung anzuzweifeln. Kleinstädte, dachte Reacher. Da war die Polizeiarbeit leicht. Wie in der Army.
Marias Zimmer war mit Reachers identisch und enthielt kaum mehr persönliches Eigentum. Im Kleiderschrank hing eine zweite Jeans ordentlich zusammengelegt über der Stange eines Bügels. Auf dem Regal darüber lagen ebenfalls ordentlich zusammengelegt ein Baumwollslip, ein BH und ein sauberes T-Shirt. Auf dem Boden des Kleiderschranks stand ein leerer Koffer, ein trauriges kleines Ding. Er war aus blauer Pappe und hatte einen eingedrückten Deckel, als wäre jahrelang etwas Schweres auf ihm abgestellt gewesen.
Auf der Ablage neben der Badezimmertür befand sich ein leerer Waschbeutel aus Kunststoff, weiß mit scheußlichen rosa Gänseblümchen, der jedoch auf der Reise prall gefüllt gewesen sein musste. Sein Inhalt war aufgereiht: Seifen, Shampoos, Lotionen und Salben sowie Cremes für alle möglichen Zwecke.
Keine persönlichen Gebrauchsgegenstände. Die würden in ihrer Umhängetasche sein.
»Tagesausflug«, erklärte Vaughan. »Sie will wieder herkommen.«
»Offensichtlich«, sagte Reacher. »Sie hat für drei Nächte bezahlt.«
»Sie ist in Despair. Auf der Suche nach Ramirez.«
»Das glaube ich auch.«
»Aber wie ist sie hingekommen? Zu Fuß?«
Reacher schüttelte den Kopf. »Dann hätte ich sie gesehen. Nach Despair sind’s siebzehn Meilen. Für sie sechs Stunden. Wäre sie um sieben losgegangen, hätte sie bis dreizehn Uhr gebraucht. Ich war zwischen halb neun und neun auf der Straße unterwegs und bin ihr nicht begegnet.«
»Es gibt aber keinen Bus oder Ähnliches. Es gibt überhaupt keinen Verkehr.«
»Manchmal vielleicht doch«, entgegnete Reacher. »Mich hat ein alter Mann mit dem Auto mitgenommen. Er wollte hier Angehörige besuchen und dann weiter nach Denver. Ich wette, dass er geradewegs nach Westen weitergefahren ist. Kein Grund, Umwege zu machen. Und wenn er dämlich genug war, mich mitzunehmen, hat er Maria erst recht mitgenommen.«
»Wenn er heute Morgen abgereist ist.«
»Das müsste sich feststellen lassen.«
Sie brachten den Generalschlüssel zurück und stiegen in den Streifenwagen. Sie fuhren auf der First Street nach Norden und bogen dann nach Westen zu dem Eisenwarengeschäft an der Stadtgrenze ab. Dahinter gab es auf beiden Straßenseiten nichts mehr. Der Gehsteig war mit allen möglichen Dingen zugestellt – Leitern, Eimern, Schubkarren, motorgetriebenen Geräten aller Art. Den Besitzer, der einen braunen Kittel trug, stöberten sie im rückwärtigen Teil des Ladens auf. Er sei frühmorgens damit beschäftigt gewesen, das Zeug auf dem Gehsteig aufzubauen, bestätigte er. Er überlegte
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