Outlaw - Child, L: Outlaw - Nothing to Lose (12 Reacher)
erst das Schloss, dann die Schlüssel, wählte ein langes Messingteil aus und versuchte es damit. Der Schlüssel passte. Er ließ sich nur schwer drehen, aber schließlich ging die Tür doch auf, und ein Schwall Bohnerwachsgeruch drang heraus. Reacher trat ein, schloss die Tür hinter sich und ging im Halbdunkel zur Theke weiter, an der seine Personalien aufgenommen worden waren.
Wie das einzige Hotel der Stadt befand das Despair Police Department sich noch im Papierzeitalter. Verhaftungen wurden in ein großes Buch mit Goldschnitt eingetragen. Reacher nahm es ans Fenster mit und hielt es schräg, um die Eintragungen im schwachen Licht der Straßenlampe lesen zu können. Dann schlug er es auf und blätterte darin, bis er seinen eigenen Eintrag vor drei Tagen fand: Reacher, J., Landstreicher . Der Eintrag war lange vor seiner Anhörung vor Richter Gardner gemacht worden. Reacher grinste. So viel zur Unschuldsvermutung, dachte er.
Der Eintrag unmittelbar darüber war drei Tage älter und lautete: Anderson, L., Landstreicherin .
Er blätterte weiter zurück und suchte Lucy Andersons Ehemann. Doch er rechnete nicht damit, ihn zu finden, und fand ihn auch nicht. Lucy Andersons Mann war unterstützt, nicht behindert worden. Dann suchte er den Namen Ramirez. Er stand nicht in diesem Buch. Der Mann war nie verhaftet worden, folglich auch nicht aus der Haft geflüchtet. Er hatte nie Ärger mit der Polizei gehabt, falls er überhaupt jemals hier gewesen war. Wenn es sich bei dem toten Kerl im Buschland nicht um jemand anders gehandelt hatte.
Er blätterte geduldig weiter zurück, um einen willkürlich ausgewählten Dreimonatszeitraum zu kontrollieren. Fand sechs Namen: Bridge, Churchill, White, King, Whitehouse, Andrews, fünf Männer, eine Frau, lauter Landstreicher, ungefähr alle vierzehn Tage einer.
Reacher schlug das Buch wieder vorn auf und suchte nach einem Eintrag für Maria. Aber sie stand nicht drin. Nach seinem eigenen folgte nur noch einer – in neuer Handschrift, weil der Cop vom Innendienst den zweiten Streifenwagen gefahren hatte und nun wegen eines HWS -Traumas krankgeschrieben war. Dieser Eintrag war erst sieben Stunden alt und lautete: Rogers, G., Landstreicher .
Er klappte das Buch zu, legte es an seinen Platz zurück und ging zur Kellertreppe. Er tastete sich die Stufen hinunter und öffnete die Tür des Zellenblocks. Dahinter war es sehr hell, weil alle Schiffslampen in ihren Drahtkäfigen brannten. Aber die Zellen waren leer.
Ein Kreis mit einer Meile Durchmesser würde kaum die Stadt umschließen . Reachers nächstes Ziel lag außerhalb, was bedeutete, dass er den Verteidigungsring nochmals durchbrechen musste – diesmal nach außen. Anfangs leicht, später schwierig. Leicht, sich der Linie anzunähern, relativ leicht, sie zu durchbrechen, schwierig, mit tausend Augen im Rücken wegzukommen. Er wollte sich nicht als Einziger vor einem statischen Publikum bewegen. Da war es besser, wenn die Linie sich in Bewegung setzte und wie eine Woge über einen Felsen hinwegbrandete.
Er sichtete die zu einem Bund zusammengefassten Schlüssel.
Fand den einen, den er wollte.
Reacher steckte den Schlüsselbund wieder ein, trat hinter die Theke und fing an, Schubladen aufzuziehen. In der dritten fand er, was er suchte. In dieser Schublade lag lauter Krimskrams: Gummibänder, ein Klebestift, Büroklammern, alte Kugelschreiber, ein Kunststofflineal.
Und ein Aschenbecher aus Metall, eine halb volle Packung Camel und drei Zündholzbriefchen.
Er stellte das Häftlingsverzeichnis so auf den Fußboden unter die Theke, dass seine Seiten weit aufgefächert waren. Darum herum häufte er jeden Fetzen Papier, den er finden konnte. Er knüllte Memos, Plakate und alte Zeitungen zusammen und errichtete daraus eine Pyramide. Auch zwei der drei Zündholzbriefchen wanderten aufgebogen und mit unterschiedlich gespreizten Zündhölzern hinein.
Mit einem Streichholz aus dem dritten Briefchen zündete er sich eine Zigarette an. Den Rauch inhalierte er genüsslich. In grauer Vorzeit waren Camels seine Marke gewesen. Er mochte türkischen Tabak. Nachdem er eineinhalb Zentimeter geraucht hatte, legte er die Zigarette zwischen die beiden Zündholzreihen und fixierte sie dort mit einer Büroklammer. Dann schob er den Zünder unter die Papierpyramide und verließ das Gebäude.
Die Eingangstür ließ er eine Handbreit offen, damit ein Luftzug entstand.
Reacher marschierte nach Süden, zum Haus des großen Deputys. Er wusste, wo es
Weitere Kostenlose Bücher