Overkill - Bale, T: Overkill - Terror's Reach
elektrischer Sandwichtoaster
aussah, dessen offenes Maul dem Meer zugewandt war. Valentin gehörte zwar bei weitem nicht zur ersten Liga der Oligarchen, war aber dennoch angeblich mehrere hundert Millionen schwer.
Offiziell rechneten sie damit, dass der Raubzug um die drei Millionen Pfund einbringen sollte. Das hatten sie jedenfalls den Gorillas erzählt. Die wahre Summe war vermutlich wesentlich höher – Liam versuchte nicht zu spekulieren, um wie viel höher, doch er rechnete sich aus, dass sein Anteil allein für einen sorglosen Ruhestand ausreichen müsste.
Alles in allem war es ein spektakulärer Erfolg für einen Arbeiterjungen aus Donegal. Als Teenager war Liam von der Schule geflogen und immer wieder wegen Vandalismus und kleinerer Diebstähle mit der Polizei in Konflikt geraten. Mit fünfzehn war er nach England geflüchtet und hatte ein paar Jahre bei einer Tante und einem Onkel in Southport gewohnt, ehe er sich am Riemen gerissen und mit viel Überredungskunst einen Studienplatz an einem College ergattert hatte.
Mit neunzehn war er nach London gegangen und hatte einen bescheidenen Bürojob beim Investment-Zweig einer großen Handelsbank bekommen. Bald schon hatte er entdeckt, dass er über eine Gabe verfügte, die wertvoller war als sämtliche Titel und Diplome: Er besaß Charme. Er konnte die Menschen für sich gewinnen. Er konnte sie dazu bringen, Dinge zu tun, die sie gar nicht wirklich wollten, ob es nun um einen Geschäftsabschluss, eine Wette oder eine schnelle, brutale Nummer am Ende eines feuchtfröhlichen Abends ging.
Ein Teil davon war natürlich auf die legendäre irische Überredungsgabe zurückzuführen, aber Liam achtete sorgsam darauf, diesen Aspekt nicht überzubetonen.
Ebenso entscheidend war seine instinktive Menschenkenntnis. Rasch erkletterte er die Karriereleiter, erwirtschaftete jede Menge Profit, sah aber auch, dass allzu viel davon in andere Taschen floss. Er beschloss, die Gleichung zu seinen Gunsten zu ändern, wobei er sich — vielleicht zwangsläufig – übernahm und in eine Falle tappte, die ihm die Aufsichtsabteilung des Hauses gestellt hatte.
Man stellte ihn vor die Wahl: Entweder gab er zurück, was er gestohlen hatte, und verschwand unauffällig, oder er riskierte, dass sie die Polizei einschalteten. Liam hatte gespürt, dass seine Bosse jede negative Publicity vermeiden wollten, ganz zu schweigen von der Aufmerksamkeit der Aufsichtsbehörden, die bei jeder kriminalpolizeilichen Ermittlung hellhörig wurden, und es war ihm gelungen, eine Teilrückzahlung auszuhandeln.
Nichtsdestotrotz war er mehr oder weniger pleite, als er die Firma verließ. Und angesichts der sich abzeichnenden Rezession waren seine Chancen, wieder im Finanzdienstleistungssektor Fuß zu fassen, gleich null. Er hatte seinen Audi A5 und seine Wohnung am Canary Wharf verkaufen und seiner kostspieligen Freundin den Laufpass geben müssen.
Er wohnte zur Miete in einer Zweizimmerwohnung in Forest Gate, als ein mysteriöser Fremder im Auftrag eines früheren guten Kunden an ihn herantrat und wegen einer neuen und höchst anspruchsvollen Aufgabe bei ihm vorfühlte. Einer Aufgabe, bei der er — so wurde ihm versprochen – alle seine beträchtlichen Talente zum Einsatz bringen könnte.
12
Als sie die Außenbezirke von Chichester erreichten, ging es nur noch im Schritttempo voran. Die A27 folgte dem Verlauf des südlichen Stadtrands und kreuzte dabei eine Reihe vielbefahrener Zubringerstraßen. Nachdem sie die Kreuzung mit der A286 überquert hatten, die zu einer Ansammlung von Küstendörfern namens The Witterings führte, kam der Pajero ganz zum Stehen.
Direkt vor ihnen war eine Fußgängerbrücke, auf der gerade eine Gruppe von Schulmädchen die Straße überquerte. Sie waren vielleicht dreizehn oder vierzehn, voller Ungeduld, endlich die Schwelle zum Erwachsensein zu überschreiten. Man konnte es an ihrem Schmuck und an ihrem Make-up sehen, und an der Art, wie sie ihre Schuluniformen durch einen offenen Knopf hier und einen hochgekrempelten Ärmel da modisch aufzupeppen versuchten.
Joe seufzte und wandte den Blick ab. Doch Cassie hatte die Mädchen auch entdeckt.
»Erinnern sie Sie an Ihre eigenen Töchter?«
Joe zuckte mit den Achseln. Die Wahrheit war, dass er es nicht wusste. Amy war inzwischen fast zehn, Hannah acht. Noch ein paar Jährchen entfernt von diesem Teenie-Gehabe, oder vielleicht auch nicht. Jeder, mit dem man sprach, fand, dass die Kinder heutzutage schneller erwachsen wurden.
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