Overkill - Bale, T: Overkill - Terror's Reach
Bad fand sie Handtücher aus ägyptischer Baumwolle und eine Auswahl von Harrods-Toilettenartikeln — sie hatte jedoch ihre eigenen mitgebracht.
Bevor sie in die Dusche stieg, stopfte sie alles, was sie am Leib trug, in einen der Müllsäcke. Sie spülte das Messer im Waschbecken und legte es auf eine Ablage in der Duschkabine. Ihre professionelle Beziehung zu Liam war noch keine achtundvierzig Stunden alt – viel zu früh, um ein endgültiges Urteil zu fällen. Ihr Grundsatz, geboren aus harter Erfahrung, lautete: Traue niemandem.
Priya war mit vierzehn von zu Hause weggelaufen, nachdem sie die gnadenlos hohen Erwartungen ihrer Eltern nicht länger ausgehalten hatte. Aber das Leben auf der Straße in London hatte sie mit ganz anderen Herausforderungen konfrontiert. Als sie zum ersten Mal von einem Mann auf der Straße begrabscht worden war, hatte sie sich in ihrer Naivität noch gefragt, ob es unhöflich wäre, ihn wegzustoßen.
Ein Mal wurde sie vergewaltigt, noch in den ersten drei Monaten, und anschließend schwor sie sich, dass sie sich nie wieder überrumpeln lassen würde. Von da an hatte sie immer mindestens eine Waffe dabei, meist ein Messer. Wo immer sie war, achtete sie stets darauf, dass Hilfe erreichbar und ein Fluchtweg vorhanden war.
Ihre neuen Vorsichtsmaßnahmen trugen schon bald Früchte, als ein eins fünfundachtzig großer und über zwei Zentner schwerer Taxifahrer ihr zu der Einzimmerwohnung folgte, in der sie zur Miete wohnte, und sich auf sie stürzte, als sie die Tür aufschloss. Er warf sie aufs Sofa und sabberte schon vor Gier, als er beschrieb, was er mit ihr zu tun gedachte. Priya ließ ihn zunächst gewähren und wiegte ihn in dem Glauben, sie würde aus Angst alles mitmachen, ehe sie nach dem Klauenhammer griff, den sie hinter dem Sofa versteckt hatte.
Sie schlug so fest zu, dass sie ihm den Schädel brach. Die Verletzung war nicht tödlich, doch er behielt einen dauerhaften Hirnschaden zurück – in ihren Augen ein weit befriedigenderes Resultat.
Sie war sich nicht sicher, ob Liam in dieser Beziehung anders war. Er war scharf auf sie, so viel war klar. Es beruhigte sie einigermaßen, dass er keine Anstalten gemacht hatte, ihr nach oben zu folgen oder sich ins Schlafzimmer zu schleichen, während sie unter der Dusche war. Vielleicht hatte er sich ein bisschen besser im Griff als die meisten Männer, aber sie hätte nicht darauf wetten mögen. Inzwischen hatte sie ein ausgeprägtes Gespür für solche Dinge.
Das war ein Grund, weshalb sie den Immobilenmakler getötet hatte: um gleich zu Beginn zu demonstrieren, wozu sie fähig war.
In Liams Abwesenheit war der Mann sehr schnell frech geworden. Er hatte Priya verhöhnt, hatte angekündigt, dass er aufstehen und zur Tür hinausgehen werde und dass sie nichts tun könne, um ihn daran zu hindern. Sie hatte vorgehabt, ihm nur einen Stich zu versetzen, einzig und allein, um ihn an der Flucht zu hindern. Aber dann hatte sich der rote Nebel auf sie herabgesenkt, wie es bisweilen
passierte, und das Nächste, woran sie sich erinnern konnte, war, dass er tot in einer Blutlache vor ihr lag. Und auch nachdem die rasende Wut sich gelegt hatte, empfand sie keine Reue, kein Bedauern. Er hatte es sich selbst zuzuschreiben.
Sie trocknete sich ab und entschied, dass sie ohne Bedenken das Handtuch fallen lassen und nackt herumlaufen könnte. Es war warm und ziemlich stickig im Zimmer. Sie überlegte noch, ob sie es riskieren könnte, ein Fenster zu öffnen, als sie das unverwechselbare Kribbeln eines gierigen Blicks auf ihrer Haut spürte. Sie bekam eine Gänsehaut und wusste, dass sie beobachtet wurde. Nicht bloß beobachtet, nein – mit den Augen verschlungen.
Sie duckte sich weg, zog das Handtuch hoch und schlang es sich fest um den Körper. Dann trat sie ganz vorsichtig wieder ans Fenster und spähte hinaus.
Das Nachbarhaus, ein weiterer protziger dreistöckiger Bau, war mindestens zwölf oder fünfzehn Meter entfernt. In der Seitenwand waren mehrere Fenster, ein paar davon mit Milchglasscheiben zum Schutz vor neugierigen Blicken. Alle Fenster waren leer. Kein Mensch zu sehen.
Dann ging ihr Blick hinauf zum Dach, und sie entdeckte eine merkwürdige kleine Gaube, fast verdeckt von einem Türmchen an der Nordostecke des Hauses. Das Gaubenfenster war so leer wie alle anderen, und doch fesselte es ihre Aufmerksamkeit.
Priya starrte das Fenster an, und schließlich kam sie dahinter, was damit nicht stimmte. Ganz schemenhaft konnte sie ein
Weitere Kostenlose Bücher