Overkill - Bale, T: Overkill - Terror's Reach
mitzureden habe«, sagte Joe. All seinen Bedenken zum Trotz kam er zu dem Schluss, dass es seine Pflicht war, offen zu ihr zu sein. »Hören Sie, ich sage Ihnen das nur äußerst ungern – aber ich glaube nicht, dass diese Typen versucht haben, Jaden zu entführen.«
»Was?«
Er schilderte ihr seine Sicht der Ereignisse. Seinen Eindruck, dass der Angriff auf Jaden lediglich eine Ablenkung gewesen war. »Ich glaube, sie wollten Sofia. Oder vielleicht Sie und Sofia.«
Cassie begann leise zu weinen, auf eine Weise, die jeden Versuch, sie zu trösten, abzuwehren schien. Sie nahm ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und putzte sich die Nase.
»Die letzten paar Wochen habe ich versucht, mir einzureden, dass ich ihn falsch eingeschätzt habe. Ich habe mich an die Vorstellung geklammert, dass Valentin im Grunde seines Herzens ein guter Mann ist und kein Ungeheuer. Aber das ist eine Lüge. Nur ein Ungeheuer könnte so etwas Gemeines tun.«
»Cassie, wir wissen nicht mit Bestimmtheit, dass er dahintersteckt.«
»Ich glaube aber, dass er es ist.«
»Okay. Aber was hätte er dann anschließend getan? Wenn er vorhatte, sie zu entführen, hätte er es doch ganz einfach von zu Hause aus tun können.«
»Schon, aber auf diese Weise kann er leugnen, dass er etwas davon gewusst hat. Er kann sie irgendwo festhalten, während er mit mir verhandelt. Wie es so schön heißt …«
»›Was man hat, das hat man.‹« Joe seufzte. »Ich bin mir immer noch nicht hundertprozentig sicher. Ich würde gerne mit ihm reden.«
»Ich will nicht nach Hause«, platzte Cassie heraus. »Ich kann heute Abend nicht dorthin zurückgehen.«
»Ich weiß. Da fahren wir ja auch nicht hin.«
24
Das oberste Stockwerk von Dreamscape wurde von einem riesigen Raum beherrscht, der sich fast über die ganze Länge des Hauses erstreckte. Ein weitläufiger, offener Wohnbereich, ausgestattet mit einer Auswahl todschicker Sofas und Teppiche, die potenzielle Käufer verlocken sollten. Eine dezent getönte Glaswand bot einen umwerfenden Blick auf die Bucht, wo die ruhige See im Schein der sinkenden Sonne glitzerte. Einen besseren Standort für ihren Überwachungsjob hätten sie sich nicht wünschen können.
Liam und Priya hatten beobachtet, wie eine Motorbarkasse vier Männer vom Anleger abgeholt und zu der majestätisch wirkenden Jacht gefahren hatte, die am Rand der tiefen Fahrrinne vor Anker lag. Dann war die Jacht zu einer Rundfahrt um den Hafen aufgebrochen und bis jetzt noch nicht zurückgekehrt. Für Liam bedeutete das wieder einmal frustrierendes Warten, nur unterbrochen durch die Ankunft des zweiten Teams.
Ein kurzer Anruf ließ ihn wissen, dass sie auf dem Weg waren. Er überließ Priya die Beobachtung der Jacht und
eilte die Treppe hinunter in die Garage. Dort öffnete er das Tor, damit sie direkt hineinfahren konnten. Er musste annehmen, dass Oliver Felton sie immer noch bespitzelte. Das gab ihm zunehmend ein Gefühl der Verwundbarkeit, und das wiederum machte ihn wütend. Der Felton-Spross würde dafür bezahlen müssen.
Ein Ford Explorer fuhr in die Garage und hielt neben dem Transit. Liam drückte auf den Knopf, um das Tor zu schließen. Er atmete tief durch. Sagte sich, dass er vollkommen ruhig war. Alles war gut. Alles unter Kontrolle.
Als Erster stieg Jim Turner aus dem Explorer. Turner war ein Berufskrimineller, ein großer, kräftiger Mann von Anfang fünfzig mit markanten Gesichtszügen und silbergrauen Haaren. In den letzten Jahren hatte er sich eine halbwegs seriöse Existenz aufgebaut und eine Sicherheitsfirma gegründet, die auch ganz gut gelaufen war, bis die Rezession zugeschlagen hatte. Davor hatte er sich in der Unterwelt einen Ruf als sogenannter »Taxman« erworben – ein Verbrecher, der sich auf andere Verbrecher als Opfer spezialisiert hatte. Selbst Liam musste zugeben, dass es einer ganz besonderen Unverfrorenheit bedurfte – von der psychotischen Veranlagung ganz zu schweigen –, um seinen Lebensunterhalt mit dem Foltern und Ausrauben von Drogendealern zu bestreiten.
Ihre bisherige Zusammenarbeit war, gelinde gesagt, nicht frei von Spannungen verlaufen. Turner hatte Liam deutlich zu verstehen gegeben, dass der in seinen Augen kaum mehr als ein kleinkrimineller Schreibtischhengst war, dem man niemals die Leitung der Operation hätte anvertrauen dürfen. Liam sah in Turner einen altmodischen Gangster, der weder den nötigen Grips noch die Raffinesse für einen so ehrgeizigen Raubzug mitbrachte. Man konnte
getrost davon
Weitere Kostenlose Bücher