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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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für die Gravesend
Academy; er war ein ausgezeichneter Schüler; er war einer von denen, die nach
Gravesend gehörten. Er hätte die Aufnahmeprüfungen
machen können und wäre angenommen worden – mit einem vollen Stipendium
obendrein, da es der Meany Granite Company nie
besonders gut ging und seine Eltern die Gebühren nicht hätten zahlen können.
Doch eines Tages, als meine Mutter Owen und mich an den Strand brachte – wir
waren beide zehn – sagte sie: »Ich hoffe, du wirst Johnny immer bei den
Hausaufgaben helfen, Owen, denn wenn ihr beide auf der Academy seid, werden die
Hausaufgaben viel schwerer – besonders für Johnny.«
    »ICH GEHE NICHT ZUR ACADEMY «, erwiderte Owen.
    »Natürlich gehst du!« entgegnete meine Mutter. »Du bist der beste
Schüler in ganz New Hampshire – vielleicht im ganzen Land!«
    »KINDER WIE ICH GEHÖREN NICHT AUF DIE ACADEMY«, [44]  meinte Owen. » KINDER WIE ICH GEHÖREN AUF DIE STAATLICHE SCHULE.«
    Einen Augenblick lang dachte ich, er meinte kleine
Kinder –,daß besonders kleinwüchsige Kinder
auf die staatlichen High-Schools gehörten – doch meine Mutter war mir in
Gedanken weit voraus und meinte: »Du bekommst ein Stipendium, Owen. Ich hoffe,
deine Eltern wissen das. Du kannst ganz umsonst auf die Academy.«
    »DA MUSS MAN JEDEN TAG EINEN BLAZER UND EINEN SCHLIPS
ANHABEN «, entgegnete
Owen, » FÜR BLAZER UND
SCHLIPS REICHT DAS STIPENDIUM NICHT AUS.«
    »Das kann man regeln, Owen«, meinte meine Mutter, und mir war klar,
daß sie damit meinte, sie würde das regeln – wenn es
nicht anders ginge, würde sie ihm mehr Blazer und Schlipse kaufen als er jemals
brauchte.
    »DANN BRAUCHT MAN NOCH HEMDEN UND SCHUHE«, fuhr
Owen fort, » WENN MAN MIT
REICHEN KINDERN ZUR SCHULE GEHT, WILL MAN DOCH NICHT WIE IHR DIENER AUSSEHEN.« Heute
vermute ich, daß meine Mutter aus dieser Erklärung die bissige
Argumentationsweise von Mr.   Meany, dem klassenbewußten Mann der Arbeit,
heraushören konnte.
    »Alles, was du brauchst, Owen«, beruhigte ihn meine Mutter, »das
werden wir alles regeln.«
    Wir fuhren gerade durch Rye, an der Kirche vorbei, und die Brise,
die vom Meer her wehte, war bereits recht kräftig. Ein Mann mit einem großen
Packen Dachschindeln auf einer Schubkarre hatte seine liebe Mühe, dafür zu
sorgen, daß ihm die Schindeln nicht davonflogen; die Leiter, die am Dach der
Sakristei lehnte, drohte umzukippen. Der Mann schien ganz gut einen Helfer
gebrauchen zu können – oder zumindest ein paar Hände, die mit anpackten.
    »WIR SOLLTEN ANHALTEN UND DEM MANN HELFEN«, bemerkte Owen, doch meine Mutter war noch mit ihrem [45]  Gesprächsthema
beschäftigt und bemerkte deshalb draußen nichts Ungewöhnliches.
    »Würde es etwas nützen, wenn ich mit deinen Eltern darüber rede,
Owen?« fragte sie ihn.
    »DANN IST DA NOCH DAS PROBLEM MIT DEM BUS«, meinte
Owen. »UM IN DIE STAATLICHE SCHULE ZU KOMMEN, KANN ICH DEN
BUS NEHMEN. ICH WOHNE JA NICHT DIREKT IN DER STADT. UND WIE KÄME ICH ZUR
ACADEMY? ICH MEINE, WENN ICH NICHT IM INTERNAT WÄRE – WIE KÄME ICH DANN MORGENS
DAHIN? UND WIE KÄME ICH ABENDS WIEDER HEIM? UND MEINE ELTERN WÜRDEN MIR NIE
ERLAUBEN, IM INTERNAT ZU WOHNEN. SIE BRAUCHEN MICH ZU HAUSE. AUSSERDEM SIND
INTERNATE ETWAS SCHLECHTES. UND WIE KOMMEN DIE SCHÜLER, DIE NICHT IM INTERNAT
WOHNEN, IN DIE SCHULE UND WIEDER NACH HAUSE?«
    »Jemand bringt sie hin und holt sie wieder ab«, antwortete meine
Mutter,» Ich könnte das ja
machen, Owen – solange, bis du selbst den Führerschein hast.«
    »NEIN, DAS GEHT NICHT«, SAGTE OWEN. »MEIN VATER HAT
KEINE ZEIT, UND MEINE MUTTER KANN NICHT AUTOFAHREN.«
    Mrs.   Meany – das wußte meine Mutter ebensogut wie ich – fuhr nicht
nur nicht mit dem Auto; sie verließ niemals das Haus. Und selbst im Sommer
waren die Fenster ihres Hauses immer geschlossen; seine Mutter litt an einer
Stauballergie, hatte Owen erklärt. Tag für Tag, das ganze Jahr über, saß Mrs.
Meany drinnen hinter den Fenstern, deren Scheiben vom Staub aus dem Steinbruch
blind und verschmiert waren. Sie hatte einen alten Pilotenkopfhörer auf (die
Kabel baumelten lose herunter), weil sie den Krach der Meißel und Bohrhämmer
nicht ertragen konnte. Und wenn gesprengt wurde, stellte sie das Grammophon
ganz laut – die Big Band plärrte, und gelegentlich hüpfte die Nadel, wenn das
Dynamit besonders nah und lautstark losdröhnte.
    Mr.   Meany besorgte die Einkäufe. Er brachte Owen zur Sonntagsschule und
holte ihn wieder ab – obwohl er selbst

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