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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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erwiderte er.
    »Und Mrs.   Webster?« fragte ich.
    »DIE HÄNGEN ZU TIEF «,
war seine Antwort.
    »Mrs.   Merrill?«
    »SEHR WITZIG «, meinte er nur.
    »Miss Judkins?«
    »DAS WEISS ICH NICHT «, entgegnete er. » AN DIE KANN ICH
MICH NICHT ERINNERN. ABER SIE IST JA KEINE MUTTER.«
    »Miss Farnum!« fiel mir noch ein.
    »DU ALBERST JA BLOSS RUM «, sagte Owen gereizt.
    »Caroline Perkins?« fuhr ich fort.
    [51]  »SPÄTER
VIELLEICHT «, entgegnete
er ernsthaft, » ABER SIE IST
AUCH KEINE MUTTER.«
    »Irene Babson?«
    »DA LÄUFT’S MIR KALT DEN RÜCKEN RUNTER !« meinte er. »DEINE MUTTER HAT DIE SCHÖNSTEN «, sagte
er schwärmerisch. »UND SIE RIECHT AUCH BESSER ALS ALLE ANDEREN«, fügte
er an. Da stimmte ich ihm zu: meine Mutter roch immer hinreißend.
    Der Busen der eigenen Mutter ist ein merkwürdiges Thema, über das
man mit einem Freund redet, aber meine Mutter war eine anerkannte Schönheit, und Owen besaß eine verläßliche Offenheit; man
konnte ihm unbedingt vertrauen.
    Meine Mutter fuhr uns viel herum. Sie fuhr mich hinaus zum
Steinbruch, wenn ich mit Owen spielen wollte; sie holte Owen ab, damit er mit
mir spielen konnte, und sie brachte ihn wieder nach Hause. Zum Steinbruch der
Meanys war es von der Stadtmitte aus etwa drei Meilen, nicht zu weit fürs
Fahrrad, aber es ging in einem fort bergauf. Oft fuhr Mutter mich hinaus, und
wir hatten das Fahrrad im Auto, und dann konnte ich nach Hause radeln; oder
Owen fuhr mit dem Rad in die Stadt, und sie brachte ihn und sein Fahrrad wieder nach Hause zurück. Ich will damit sagen: Sie fuhr uns so
oft herum, daß er ihr vielleicht wie ein zweiter Sohn erschien. Und da Mütter
in Kleinstädten ihre Kinder immer herumfahren, hatte
Owen guten Grund, eher in ihr seine Mutter zu sehen
als in seiner wirklichen.
    Wenn wir bei Owen spielten, gingen wir nur selten ins Haus. Wir
spielten zwischen den Granitplatten, in den Gruben und drumherum, oder unten am
Fluß, und sonntags saßen wir auf oder in den stillen Maschinen und stellten uns
vor, wir seien die Herren des Steinbruches – oder im Krieg. Owen schien sein
Zuhause genauso seltsam und bedrückend zu finden wie ich. Wenn uns das Wetter
schlecht gesonnen war, spielten wir bei mir zu Hause, und da das Wetter in New
Hampshire einem meist schlecht gesonnen ist, spielten wir meistens bei mir zu
Hause.
    [52]  Und spielen war alles, was wir taten – so kommt es mir heute vor. In dem Sommer, als meine
Mutter starb, waren wir beide elf. Es war das letzte Jahr, in dem wir in der
Schülermannschaft bei den Kleinen mitspielten, und wir fanden es schon ziemlich
langweilig. Baseball ist meiner Ansicht nach
langweilig; das letzte Jahr bei den Kleinen ist nur ein Vorgeschmack auf die
langweiligen Augenblicke beim Baseball, die vielen Amerikanern noch
bevorstehen. Leider spielen die Kanadier auch Baseball und sehen gern dabei zu.
Es ist ein Spiel, bei dem es viele Wartepausen gibt, ein Spiel, bei dem
hauptsächlich die Erwartung gesteigert wird, die Erwartung auf wenig Handlung.
Immerhin spielen die Kleinen das Spiel schneller als die Erwachsenen – Gott sei
Dank! Wir haben unsere Aufmerksamkeit nie auf das
Spucken und Kratzen gelenkt, auf diese essentiellen Ausdrucksweisen der
Nervosität beim Erwachsenensport. Aber trotzdem muß man warten, bis der Ball
geworfen ist, warten, bis der Fänger und der Schiedsrichter den Ball nach dem
Wurf untersucht haben – und warten, bis der Fänger zum Werfer geht und ihm
sagt, wie er den Ball werfen soll, und warten auf den Trainer, der ins Feld
watschelt und sich (mit dem Werfer und dem Fänger) Gedanken macht, was wohl der nächste Wurf einbringt.
    An diesem Tag, es war der letzte Durchgang, warteten Owen und ich
nur darauf, daß das Spiel zu Ende ging. Es war uns einfach nur furchtbar
langweilig, wir hatten keine Ahnung, daß auch bald das Leben eines Menschen zu
Ende gehen würde. Wir waren dran mit Schlagen. Unsere Mannschaft lag weit im
Rückstand; wir hatten so viele Ersatzspieler eingewechselt, daß ich nicht
einmal mehr die Hälfte von unseren Leuten erkannte – und ich wußte auch nicht
mehr, wer nun mit Schlagen an der Reihe war. Ich wußte nicht, wann ich dran
war, und wollte gerade unseren netten, dicken Trainer, Mr.   Chickering fragen,
als sich Mr.   Chickering umdrehte und zu Owen sagte: »Du schlägst für Johnny,
Owen.«
    »Ich weiß aber nicht, wann ich dran bin«, sagte ich zu Mr.   [53]  Chickering, der mich nicht hörte; er schaute über
das Feld hinweg.

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