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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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einen Katholiken!
    »HIER WIRD NICHTS AN DEN WAHLERGEBNISSEN
RUMGETRICKST«, sagte er zu den Wählern. »WENN DU SO
EIN ARSCHLOCH BIST UND FÜR NIXON STIMMST, DANN WIRD DEINE BLÖDE STIMME AUCH
GEZÄHLT – EBENSO WIE JEDE ANDERE!«
    Kennedy gewann haushoch, doch ›Die Stimme‹ sagte voraus, daß die wirkliche Wahl – im November – viel knapper ausgehen
würde; aber Owen war sicher, daß Kennedy gewinnen würde und auch sollte. » DAS HIER IST EINE WAHL, BEI DER SICH JUNGE MENSCHEN BETEILIGT FÜHLEN
KÖNNEN «, verkündete ›Die Stimme‹; und in der Tat fühlten wir uns – obwohl Owen und ich noch nicht wählen durften – als Teil dieses ›Elans‹, den
    John F. Kennedy repräsentierte. »WÄRE ES NICHT SCHÖN, WENN WIR
EINEN PRÄSIDENTEN HÄTTEN, ÜBER DEN DIE LEUTE UNTER DREISSIG NICHT LACHEN? WARUM
SOLLTET IHR JEMANDEN WIE EISENHOWER WÄHLEN, WENN IHR KENNEDY HABEN KÖNNT?«
    Wieder einmal fühlte sich der Schulleiter bemüßigt, auf die Kolumne
der ›Stimme‹ in der Morgenversammlung zu antworten. »Ich bin Republikaner«,
sagte uns Randy White. »Damit ihr nicht glaubt, die Schülerzeitung lege den
Republikanern gegenüber auch nur ein annähernd objektives Verhalten an den Tag,
bitte ich euch, mir eine Minute Gehör zu schenken – auch wenn vielleicht [467]  die Euphorie über den haushohen Sieg Kennedys an dieser Schule noch groß ist, aber (hoffentlich) bald
wieder abebbt. Es erstaunt mich nicht, daß ein so junger Kandidat viele von
euch mit seinem ›Elan‹ in Bann geschlagen hat, aber – glücklicherweise – wird
das Schicksal dieses Landes nicht von Menschen gelenkt, die zum Wählen noch zu
jung sind. Nixons Erfahrungen mögen euch nicht so glänzend erscheinen; aber
eine Präsidentschaftswahl ist weder ein Segelwettkampf zwischen den Kandidaten
noch ein Schönheitswettbewerb der beiden Gattinnen.
    Ich bin Republikaner aus Illinois «, sagte
der Direktor. »Illinois ist der Bundesstaat, aus dem Abraham Lincoln kommt, wie
ihr sicher wißt.«
    »ILLINOIS IST DER BUNDESSTAAT, AUS DEM ADLAI
STEVENSON KOMMT«, schrieb Owen Meany. »SOWEIT ICH
WEISS, IST ADLAI STEVENSON EIN ETWAS ZEITGENÖSSISCHERER BÜRGER VON ILLINOIS ALS
ABRAHAM LINCOLN – SOWEIT ICH WEISS, IST ADLAI STEVENSON DEMOKRAT UND WEILT NOCH
UNTER DEN LEBENDEN.«
    Und diese kleine Meinungsverschiedenheit war es, die, soweit ich weiß, Randy White zu einer weiteren Entscheidung
veranlaßte. Er enthob Mr.   Early vom Amt des Beraters der Schülerzeitung The Grave; Mr.   White übernahm selbst dieses Amt – und so
sah sich ›Die Stimme‹ mit einem viel schärferen Zensor konfrontiert, als Owen
ihn je in Mr.   Early gehabt hatte.
    »Sei lieber vorsichtig, Owen«, riet Dan Needham.
    »Paß bloß auf, Mensch«, sagte ich zu ihm.
    Es war an einem eiskalten Tag nach Weihnachten, als er den
tomatenroten Kleintransporter auf den Parkplatz hinter der St.   Michael’s School
fuhr. Die Scheinwerfer beleuchteten den Spielplatz, den ein Regenguß unter
Wasser gesetzt hatte und der dann zu einer schwarzen glitschigen Fläche
vereiste, wie die Oberfläche eines Teiches. » SCHADE, DASS
WIR DIE SCHLITTSCHUHE NICHT DABEIHABEN «, meinte Owen. Am anderen
Ende der glatten [468]  Eisfläche ließen die
Scheinwerfer die Statue der Maria Magdalena in ihrem Tor hell aufleuchten. »SCHADE, DASS WIR UNSERE EISHOCKEYSCHLÄGER UND DEN PUCK NICHT
DABEIHABEN«, meinteOwen. Ein Licht ging
an – und dann noch eines – in der Behausung der Nonnen; dann wurde das
Verandalicht ebenfalls angeschaltet, und zwei Nonnen traten heraus und starrten
auf unsere Scheinwerfer. »SCHON MAL PINGUINE AUF DEM EIS GESEHEN?« fragte Owen.
    »Machen wir lieber keinen Blödsinn«, meinte ich, und er wendete den
Transporter und fuhr zu unserem Haus in die Front Street. Es gab einen
Monsterfilm im Fernsehen; Owen und ich waren mittlerweile der Meinung, daß die
einzigen guten Filme die ganz schlechten waren.
    Er zeigte mir nie, was er in sein Tagebuch schrieb – damals nicht.
Doch nach diesem Weihnachtsfest trug er es oft mit sich herum, und ich wußte,
es war ihm wichtig, weil er es immer beim Bett liegen hatte, auf seinem
Nachttisch, direkt neben dem Buch mit den Gedichten von Robert Frost und der
wachsamen Schneiderpuppe meiner Mutter. Wenn er bei mir übernachtete, in Dans
Lehrerwohnung oder in unserem Haus in der Front Street, schrieb er immer zuerst
etwas in sein Tagebuch, ehe er mir erlaubte, das Licht auszuknipsen.
    Die Nacht, in der er am eifrigsten in sein

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