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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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von New Hampshire vergeben – wobei leider allen klar war, daß der
Betreffende wahrscheinlich nach Harvard oder Yale oder an eine andere,
»bessere« Universität gehen würde. Mir war klar, daß Owen sowohl in Harvard als
auch in Yale angenommen werden würde – und zwar mit einem vollen Stipendium; der einzige Grund, warum er vielleicht doch das
Angebot der University of New Hampshire annehmen würde, war Hester – doch was
würde ihm das schon bringen? Owen würde sein Studium im Herbst 1962 beginnen,
und Hester würde im Frühling 1963 fertig sein.
    »DU KÖNNTEST DOCH WENIGSTENS VERSUCHEN , AN EINER
BESSEREN UNI ANZUKOMMEN «, sagte Owen zu mir.
    Ich hatte ihn nicht gebeten, auf Harvard
oder Yale zu verzichten, nur um mir an der University of New Hampshire
Gesellschaft zu leisten. Ich fand es unfair, daß er von mir erwartete, mich der
Bewerbungsprozedur in Harvard oder Yale zu unterziehen – nur, um abgelehnt zu
werden. Obwohl Owen meine schulischen Leistungen deutlich verbessert hatte,
konnte er sie doch nicht so weit anheben, daß sie für Harvard oder Yale
gereicht hätten. Ich hatte mich in Englisch und Geschichte recht gut gemacht;
ich las immer noch langsam, aber gründlich, und ich konnte ein durchaus
lesbares, gut durchstrukturiertes Referat schreiben; doch Owen half mir auch
weiterhin in Mathematik und den [475]  naturwissenschaftlichen
Fächern, und auch in den Fremdsprachen schlug ich mich mehr schlecht als recht
durch – ich war einfach nicht so begabt wie Owen. Und doch ärgerte er sich über
mich, weil ich hinnahm, daß ich eben nur das Zeug für die University of New
Hampshire hatte; um ganz ehrlich zu sein, ich mochte die University of New Hampshire. Durham war als Stadt nicht bedrohlicher als
Gravesend; und es lag so nahe bei Gravesend, daß ich Dan und meine Großmutter
weiterhin oft besuchen konnte – ich konnte sogar bei ihnen wohnen bleiben.
    »ICH WERDE SICHER AUCH IN DURHAM LANDEN«, meinteOwen – mit einem kleinen, aber unüberhörbaren Anflug
von Selbstmitleid in der Stimme; das machte mich wütend. » ICH GLAUB NICHT, DASS DU ALLEIN
ZURECHTKOMMST«, fügte erhinzu.
    »Ich komme sehr gut allein zurecht«, widersprach ich ihm. »Und ich
werde dich in Harvard oder Yale besuchen.«
    »NEIN. WIR WERDEN ANDERE FREUNDE HABEN, WIR WERDEN
UNS AUSEINANDERLEBEN – SO WIRD ES LAUFEN«, philosophierte er. »UND DU BIST KEIN BRIEFESCHREIBER – DU FÜHRST NICHT MAL TAGEBUCH «,
fügte er an.
    »Wenn du dein Niveau senkst und nur wegen mir an die University of New Hampshire gehst, dann bring ich dich um«, warnte ich
ihn.
    »ICH MUSS AUCH AN MEINE ELTERN DENKEN«, entgegnete
er. »WENN ICH IN DURHAM BIN, KANN ICH ZU HAUSE WOHNEN
BLEIBEN – UND MICH UM SIE KÜMMERN.«
    »Wozu mußt du dich denn um sie kümmern?« fragte ich. Mir kam es vor,
als würde er sowenig Zeit wie möglich mit ihnen verbringen!
    »DANN IST DA AUCH NOCH HESTER «, fuhr er
fort.
    »Das wollte ich dich immer schon mal fragen«, sagte ich. »Du und
Hester – mal seid ihr zusammen, mal nicht. Schläfst du überhaupt mit ihr – hast du jemals mit ihr
geschlafen?«
    [476]  »FÜR JEMANDEN VON
DEINEM ALTER UND DEINER BILDUNG BIST DU REICHLICH UNGEHOBELT «, gab Owen zurück.
    Als er sich vom Spielfeld erhob, humpelte er. Ich warf ihm den
Basketball zu; er warf ihn mir zurück. Der unterbelichtete Hausmeister stellte
die Spielzeituhr ein; die Zahlen waren hellerleuchtet und riesig.
    00   :   04
    Ich konnte es nicht mehr sehen!
    Ich hielt den Ball; er streckte die Hände aus.
    »FERTIG ?« sagte Owen. In dem Augenblick
ließ der Hausmeister die Uhr laufen. Ich warf Owen den Ball zu; er sprang in
meine Arme. Ich hob ihn hoch; er stieg immer höher – drehte sich in der Luft
und stopfte den Ball von oben in den Korb hinein. Dabei war er so treffsicher,
daß er den Ring niemals berührte. Er schwebte in der Luft, auf dem Weg zurück
zur Erde – die Hände, nun leer, noch immer hoch über den Kopf erhoben, den
Blick auf die Spielzeituhr an der Wand geheftet – als er brüllte: »STOPP !« Der Hausmeister hielt die Uhr an.
    Nun drehte auch ich mich um; normalerweise war die Zeit dann
abgelaufen.
    00   :   00
    Diesmal jedoch nicht; als ich hinaufschaute, waren wir eine
Sekunde früher fertig geworden.
    00   :   01
    Er hatte den Ball in weniger als vier Sekunden in den Korb
gestopft!
    »SIEHST DU, WAS EIN KLEINES BISSCHEN GLAUBEN BEWIRKEN [477]  KANN?« meinte Owen Meany. Der
minderbemittelte Hausmeister klatschte uns

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