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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Gegenwart zuckten. Ich meine, daß jeder sie
gerne berührte – und je nachdem, was für Gefühle meine Mutter dieser Person
entgegenbrachte, reagierte sie auf die entsprechende katzenhafte Weise. Sie
konnte so kaltblütig und gleichgültig wirken, daß der andere sofort aufhörte;
sie war überraschend behende und konnte sich, wie eine Katze, vor der Berührung
zurückziehen – sie duckte sich oder ließ die Hand durch eine blitzschnelle
Bewegung ins Leere gleiten, genau so instinktiv, wie unsereins zusammenzuckt.
Und sie konnte auch auf die andere Art reagieren, die Katzen eigen ist; sie
konnte sich unter der Berührung aalen – konnte sich recht schamlos hin- und
herwinden und der Hand des Streichlers immer mehr Druck entgegensetzen, bis (so
habe ich es mir immer vorgestellt) jeder, der nahe genug bei ihr saß, hören
konnte, wie sie schnurrte.
    Owen Meany, der selten viel Worte um etwas machte, sondern ganz im
Gegenteil die gesprächslähmende Angewohnheit hatte, Bemerkungen fallenzulassen
wie Münzen in einen tiefen Wasserteich… – Bemerkungen, die, wie die Wahrheit,
auf den Grund des Teiches niedersanken und dort liegenblieben, dem Zugriff
entzogen… – Owen sagte einmal zu mir: » DEINE MUTTER
IST SO SEXY, DASS ICH IMMER WIEDER VERGESSE, DASS SIE EINE MUTTER IST.«
    Was die Bemerkung meiner Tante Martha anbelangt, die mit mehr als
zehn Jahren Verspätung über meine Vettern zu mir durchsickerte – daß meine
Mutter »ein wenig einfältig« gewesen sei –, so denke ich, daß diese Meinung auf
mangelndem Verständnis seitens der eifersüchtigen älteren Schwester beruht.
Tante Martha hatte das Wesentliche an meiner Mutter nicht verstanden: daß sie
in einen völlig falschen Körper hineingeboren worden war. Tabby Wheelwright sah
aus wie ein Filmstar – üppig, neckisch, als könne man sie leicht zu allem
möglichen überreden; sie schien darauf bedacht, es allen recht zu machen, eben
»ein wenig [61]  einfältig«, wie es Tante Martha
formulierte; sie wirkte wie jemand zum Anfassen. Doch
ich bin davon überzeugt, daß meine Mutter einen völlig anderen Charakter hatte,
als man von ihrem Aussehen her hätte schließen können; als ihr Sohn kann ich
bezeugen, daß sie eine nahezu perfekte Mutter war; nicht perfekt an ihr war
lediglich, daß sie starb, ehe sie mir sagen konnte, wer mein Vater war. Und
abgesehen davon, daß sie eine nahezu perfekte Mutter war, weiß ich, daß sie
auch eine glückliche Frau war – und eine wirklich glückliche Frau treibt manche
Männer und nahezu jede andere Frau schier zum Wahnsinn. Wenn ihr Körper ruhelos wirkte – sie war es nicht.
Sie war zufrieden; auch in dieser Hinsicht war sie katzenhaft. Sie schien
nichts weiter vom Leben zu wollen als ein Kind und einen liebenden Ehemann; es
ist wichtig, daß diese beiden Begriffe im Singular stehen – sie wollte nicht Kinder, sie wollte mich, nur mich, und sie bekam mich auch; sie wollte nicht Männer in ihrem Leben, sondern
einen Mann, den richtigen Mann, und kurz bevor sie
starb, hatte sie ihn gefunden.
    Ich habe gesagt, daß meine Tante Martha eine »wunderbare Frau« ist,
und das meine ich auch; sie ist herzensgut, sie ist attraktiv, sie ist aufrichtig
und nett und grundanständig – und sie hat mich immer geliebt. Sie liebte auch
meine Mutter; nur hat sie sie nie verstanden – und wenn sich zu Unverständnis
auch nur die geringste Portion Eifersucht gesellt, dann sind Schwierigkeiten
unvermeidbar.
    Ich habe gesagt, daß meine Mutter gern enge Pullover trug, und das
steht im Widerspruch zu der Zurückhaltung, mit der sie sich sonst kleidete; ihr
Dekolleté zeigte sie, niemals jedoch mehr von ihrem Körper, außer den
athletischen, fast unschuldigen Schultern. Die entblößte sie gern. Und ihre
Kleider waren niemals liederlich, niemals schamlos, niemals grell; bei der
Auswahl der Farben war sie so konservativ, daß ich mich kaum an etwas in ihrem
Kleiderschrank erinnern kann, das nicht schwarz oder weiß war, abgesehen von
einigen Accessoires – da hatte sie eine Schwäche für [62]  Rot
(bei Schals, Schuhen, Hüten und Handschuhen). Sie trug niemals etwas, das an
den Hüften eng anlag, doch ihre schmale Taille und das schöne Dekollete zeigte
sie gern – sie hatte in der Tat DIE SCHÖNSTEN BRÜSTE VON ALLEN
MÜTTERN, wie Owen bemerkte.
    Ich glaube nicht, daß sie geflirtet hat; nie verhielt sie sich
Männern gegenüber aufreizend –, doch wieviel hätte ich davon schon mitbekommen,
schließlich war ich erst

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