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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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nicht auf ihn losstürzte und seinen Kopf in [525]  die
nächstbeste Schneewehe preßte. Entweder war Larry ein Feigling, oder er wußte,
daß die »Ehre« seiner Mutter eine derart vehemente Verteidigung nicht wert war;
meiner Meinung nach war Mitzy Lish keinerlei Verteidigung wert.
    Doch unser Schulleiter, Randy White, war ein ritterlicher Mann – er
war noch von der alten Schule, wenn es um die Verteidigung des schwachen
Geschlechts ging. Natürlich war er empört, als er von Owens beleidigender
Bemerkung zu Mrs.   Lish erfuhr; natürlich war er den Lishs auch dankbar, daß sie
die Schule finanziell unterstützten. »Natürlich«, versicherte Randy White Mrs.
Lish, würde er ob der Schmach, die sie erlitten hatte, »etwas unternehmen«.
    Als Owen und ich ins Büro des Direktors zitiert wurden, wußten wir
nicht, was Mrs.   Lish alles über diesen »Vorfall« – wie Randy White es nannte – erzählt hatte.
    »Ich werde diesem schändlichen Vorfall auf den Grund gehen«, sagte
der Direktor zu Owen und mir. »Hast du Mrs.   Lish im Redaktionsbüro der Schülerzeitung
einen unsittlichen Antrag gemacht oder nicht?« fragte Randy White Owen.
    »ES WAR NUR EIN WITZ«, sagte Owen
Meany. »SIE HAT SICH
ÜBER MICH LUSTIG GEMACHT – SIE HAT DEUTLICH ZU VERSTEHEN GEGEBEN, DASS SIE MICH FÜR EINE WITZFIGUR HÄLT«, meinte
er. »UND DESHALB HABE ICH ETWAS GESAGT, DAS ICH FÜR ANGEBRACHT HIELT.«
    »Wie kannst du meinen, ein unsittlicher
Antrag an die Mutter eines Schulkameraden sei angebracht ?« fragte Randy White ihn. »Auf dem
Schulgelände!« fügte der Schulleiter hinzu.
    Später bekamen Owen und ich heraus, daß die Tatsache, daß dieser
unsittliche Antrag »auf dem Schulgelände« gemacht wurde, Mrs.   Lish besonders
erzürnt hatte; sie hatte dem Direktor zu verstehen gegeben, dies sei sicherlich
ein triftiger »Grund für einen Schulverweis«. Larry Lish hatte uns das erzählt;
er mochte uns nicht, schämte sich jedoch dafür, daß seine Mutter alles daran [526]  setzte, daß Owen von der Schule flog. »Wie kommst
du auf den Gedanken, es sei ›angebracht‹, der Mutter eines Schulkameraden einen unsittlichen Antrag zu machen?« wiederholte Randy
White.
    »ICH WOLLTE DAMIT SAGEN, ANGESICHTS IHRES VERHALTENS WAR MEINE BEMERKUNG
ANGEBRACHT«, sagte Owen ungerührt.
    »Sie hat ihn beleidigt«, erklärte ich dem Direktor.
    »SIE HAT SICH DARÜBER LUSTIG GEMACHT, DASS ICH DER KLASSENBESTE
BIN«, sagte Owen Meany.
    »Sie hat laut über ihn gelacht«, sagte ich zu Randy White. »Sie hat
ihm mitten ins Gesicht gelacht – sie hat ihn eingeschüchtert «,fügte ich hinzu.
    »SIE WAR ANZÜGLICH !«
sagte Owen.
    Damals konnten wir beide nicht in Worten wiedergeben, wie Mrs.   Lish
jemanden sexuell einschüchterte; vielleicht hätte selbst Randy White unsere
Feindseligkeit gegenüber einer Frau verstanden, die ihre sexuelle Überlegenheit
so fies ausnutzte – besonders Owen gegenüber. Sie hatte mit ihm geflirtet, sie
hatte ihn verhöhnt, ihn erniedrigt – zumindest hatte sie es versucht. Mit welchem Recht war sie dann beleidigt, wenn er sich
seinerseits über sie lustig machte?
    Doch mit neunzehn Jahren, als ich im Büro des Schulleiters
herumzappelte, konnte ich das nicht in Worte fassen.
    »Du hast die Mutter eines Schülers gefragt, ob sie mit dir schlafen
will – in Gegenwart ihres eigenen Sohnes!« sagte Randy White.
    »SIE VERSTEHEN DEN ZUSAMMENHANG DOCH GAR
NICHT«, gab Owen Meany zurück.
    »Dann erklär mir den ›Zusammenhang‹«, forderte ihn Randy White auf.
    Owen sah bestürzt aus.
    »MRS. LISH ERÖFFNETE UNS EINIGE GANZ BESONDERS
    SCHLIMME UND UNANGENEHME GERÜCHTE«, sagte Owen. »ES [527]  SCHIEN IHR ZU GEFALLEN,
     DASS MICH DIESE GERÜCHTE AUFREGTEN.«
    »Das stimmt, Sir«, sagte ich.
    »Was waren das für Gerüchte?« wollte Randy White wissen. Owen
schwieg.
    »Owen – du mußt dich doch verteidigen, Herrgott noch mal!« sagte
ich.
    »HALT DEN RAND !« entgegnete er mir.
    »Was hat sie zu dir gesagt, Owen?« fragte der Direktor.
    »ES WAR SEHR HÄSSLICH «, sagte Owen
Meany, der tatsächlich glaubte, den Präsidenten der Vereinigten Staaten in
Schutz nehmen zu müssen! Owen Meany schützte den Leumund seines
Oberbefehlshabers!
    »Sag’s ihm, Owen!« ermunterte ich ihn.
    »ES IST VERTRAULICH«, sagte Owen. »SIE WERDEN MIR EINFACH GLAUBEN MÜSSEN – ES WAR SEHR HÄSSLICH, WAS
SIE GESAGT HAT. DASS ICH EINEN WITZ GEMACHT HABE – AUF IHRE KOSTEN – WAR NUR
RECHT UND BILLIG.«
    »Mrs.   Lish

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