Owen Meany
DAVON?« fragte Owen Mrs.
Lish.
»Sie muß sich wohl schon dran gewöhnt haben«, sagte Mrs. Lish; sie
schien sich an Owens Kummer zu weiden. »Was hältst du davon?« fragte sie Owen;
Mitzy Lish war eine Frau, die junge Männer gern einschüchterte.
»ICH HALTE ES FÜR FALSCH«, meinte Owen
Meany.
»Meint er das wirklich?«
»Ist er nicht einmalig?« fragte Larry Lish seine Mutter.
»Und das ist der Chefredakteur eurer Schülerzeitung?« wollte Mrs.
Lish von ihrem Sohn wissen; der lachte.
»Richtig«, gab Larry zurück; er fand seine Mutter zum Schreien
komisch.
[523] »Und das ist der Klassenbeste? Der soll bei der Abschlußfeier die Rede halten?« fragte
Mitzy Lish ihren Sohn.
»Genau!« sagte Larry; er konnte sich vor Lachen nicht mehr halten.
Owen nahm die Aufgabe, die dem Klassenbesten zufiel, nämlich bei der
Abschlußfeier eine Rede zu halten, so ernst, daß er jetzt schon daran zu
schreiben begonnen hatte – dabei war erst Januar. In vielen Schulen stand erst
im Frühjahr fest, wer der Klassenbeste sein würde; doch Owen Meanys Leistungen
waren unerreichbar – kein Schüler konnte ihn noch einholen.
»Darf ich dich mal was fragen«, sagte Mrs. Lish zu Owen. »Wenn
Marilyn Monroe mit dir schlafen wollte – würdest du es zulassen?« Ich dachte, Larry würde jeden Moment tot
umfallen – so sehr lachte er. Owen stand ganz ruhig da. Er bot Mrs. Lish eine
Zigarette an, doch sie rauchte nur ihre eigene Marke; er gab ihr Feuer und
zündete sich dann selbst eine Zigarette an. Er schien ernsthaft über ihre Frage
nachzudenken.
»Na? Sag schon«, säuselte Mrs. Lish verführerisch. »Wir reden über Marilyn Monroe – über den knackigsten Hintern, den du dir
nur vorstellen kannst! Oder gefällt dir Marilyn Monroe etwa nicht?« Sie nahm
ihre Sonnenbrille ab; sie hatte sehr schöne Augen, und sie wußte es. »Würdest
du, oder würdest du nicht?« fragte sie Owen Meany. Sie zwinkerte ihm zu; und
dann stupste sie ihn mit dem lackierten Nagel ihres Zeigefingers an der
Nasenspitze.
»NICHT, WENN ICH PRÄSIDENT WÄRE«, meinte
Owen. »UND GANZ BESTIMMT NICHT, WENN ICH VERHEIRATET WÄRE!«
Mrs. Lish lachte; es war ein Mittelding zwischen einem Hyänenschrei
und dem Geräusch, das Hester im Schlaf von sich gab, wenn sie getrunken hatte.
»Das soll unsere Zukunft sein?« fragte
Mitzy Lish. »Das ist der beste Schüler der vornehmsten Privatschule dieses
Bundesstaates – und das sollen wir von unserer
künftigen Elite erwarten?«
Nein, Mrs. Lish – da kann ich Sie nachträglich beruhigen. Das [524] war nicht, was wir von
unserer künftigen Elite erwarten sollten; unsere Zukunft sollte uns anderswo
hinführen – und zu einer Elite, die nur wenig mit Owen Meany gemeinsam hatte.
Doch damals war ich nicht mutig genug, ihr darauf zu antworten. Owen
hingegen ließ sich nicht so leicht einschüchtern – Owen Meany akzeptierte, was
er für sein Schicksal hielt, doch er nahm es nicht hin, daß man ihn respektlos
behandelte.
»ABER ICH BIN JA NICHT DER PRÄSIDENT«, sagte
er vorsichtig. »UND ICH BIN AUCH NICHT VERHEIRATET. UND NATÜRLICH KENNE ICH MARILYN MONROE NICHT PERSÖNLICH.
UND SIE WÜRDE WOHL KAUM MIT MIR SCHLAFEN WOLLEN. ABER – SOLL ICH IHNEN WAS
SAGEN ?« meinte er zu Mrs. Lish, die sich – genau wie ihr Sohn – vor Lachen kaum mehr halten konnte. » WENN SIE MIT MIR SCHLAFEN WOLLTEN – ICH
MEINE, JETZT, WO ICH NICHT
DER PRÄSIDENT BIN UND AUCH NICHT VERHEIRATET – WARUM NICHT «,
sagte Owen zu Mitzy Lish, » ICH WÜRDE NICHT NEIN SAGEN.«
Es war wie bei einem Hund, der sich an seinem Futter verschluckt.
Hunde schlingen ihr Fressen hinunter – und wenn sie sich verschlucken, sieht
das recht dramatisch aus. Nie habe ich jemanden so schnell zu lachen aufhören
sehen wie Mrs. Lish und ihren Sohn – schlagartig hörten sie auf.
»Was hast du da eben gesagt?« fragte Mrs. Lish Owen.
»NA? SAGEN SIE SCHON «, erwiderte Owen
Meany. » WÜRDEN SIE ODER WÜRDEN SIE NICHT ?« Er
wartete nicht auf eine Antwort; er zuckte mit den Schultern. Wir standen in dem
trockenen, staubigen Zigarettengestank, der wie üblich im Redaktionsbüro der
Schülerzeitung herrschte, und Owen ging einfach zum Kleiderhaken und nahm seine
schwarzrot gewürfelte Mütze und die Jacke aus dem gleichen, abgewetzten Stoff
herunter; dann ging er hinaus in die Kälte, die Mrs. Lishs empfindlichem Teint
so zusetzte. Larry Lish war solch ein Feigling, daß er keinen Ton zu Owen sagte – und auch
Weitere Kostenlose Bücher