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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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sagt, du hättest ihr auf ungehobelte Weise vor den Augen
ihres Sohnes einen unsittlichen Antrag gemacht«, sagte Randy White. »Sie sagt,
du seist beleidigend gewesen, unanständig, obszön – und antisemitisch«, sagte
der Schulleiter.
    »IST MRS. LISH JÜDIN?« fragte Owen
mich. »ICH WUSSTE NICHT MAL, DASS
SIE JÜDIN IST!«
    »Sie sagt, du seist Antisemit«, wiederholte der Direktor.
    »WEIL ICH IHR EINEN ANTRAG GEMACHT HABE?«
    »Dann gibst du also zu, daß du ihr einen ›unsittlichen Antrag‹
gemacht hast?« hakte Randy White nach. »Und wenn sie ›ja‹ gesagt hätte?«
    Owen Meany zuckte mit den Schultern. » ICH WEISS
NICHT«, sagte er nachdenklich. » ICH DENK, ICH
    HÄTTE SCHON – HÄTTEST NICHT ?« meinte er zu mir. Ich nickte. » ICH WEISS, SIE HÄTTEN NICHT !« sagte er zum Schulleiter – »DENN SIE SIND [528]  VERHEIRATET «, fügte er an. » DAS WOLLTE ICH DEUTLICH MACHEN – ALS SIE ANFING, SICH
ÜBER MICH LUSTIG ZU MACHEN «,
meinte er zu Randy White. » SIE HAT MICH GEFRAGT, OB ICH ›ES‹
MIT MARILYN MONROE MACHEN WÜRDE «, erklärte er ihm. » UND ICH HABE GESAGT ›NICHT,
WENN ICH VERHEIRATET WÄRE‹, UND DANN HAT SIE MICH AUSGELACHT.«
    »Marilyn Monroe?« sagte der Direktor. »Was hat Marilyn Monroe damit
zu tun?«
    Doch Owen sagte nichts mehr. Später meinte er zu mir: » STELL DIR DOCH MAL DEN SKANDAL VOR! STELL DIR MAL VOR, WENN SO
EIN GERÜCHT ZUR PRESSE DURCHSICKERT!«
    Glaubte er, ein Leitartikel in The Grave könne den Sturz des Präsidenten herbeiführen?
    »Willst du etwa von der Schule fliegen, nur um den Präsidenten zu
schützen?« fragte ich ihn.
    »ER IST WICHTIGER ALS ICH «, gab Owen
Meany zurück. Heute bin ich mir nicht sicher, ob Owen da recht hatte; er hatte
meistens recht – doch ich neige zu der Ansicht, daß Owen Meany mindestens
ebenso schützenswert war wie John F. Kennedy.
    Man braucht sich nur anzusehen, was für Arschlöcher heutzutage versuchen, den Präsidenten zu schützen!
    Doch Owen Meany ließ sich nicht dazu überreden, sich selbst zu
schützen; er sagte Dan Needham, durch ihren aufdringlichen Charakter stellten
Mrs.   Lishs Äußerungen » EINE GEFAHR FÜR DIE SICHERHEIT DES LANDES «
dar; nicht einmal, um sich vor dem Zorn Randy Whites zu retten, war Owen Meany
gewillt, das verleumderische Gerücht zu wiederholen.
    Bei der Lehrerkonferenz sagte der Schulleiter, diese Art von
Respektlosigkeit – gegenüber Eltern von Schülern! – könne nicht toleriert
werden. Mr.   Early warf ein, es stünde nirgendwo geschrieben, daß unsittliche
Anträge an Mütter verboten seien; Owen, so
argumentierte Mr.   Early, hatte keine Regel gebrochen.
    Der Direktor versuchte, die Sache dem Exekutivausschuß in die [529]  Hände zu legen; doch Dan Needham wußte, daß Owens
Überlebenschancen in dieser Gruppe, die größtenteils
aus Gefolgsleuten des Schulleiters bestand, gering sein würden – immerhin
hatten sie bei Abstimmungen stets die Mehrheit, wie ›Die Stimme‹ bereits
deutlich gemacht hatte. Das sei kein Fall für den Exekutivausschuß, meinte Dan;
Owen habe kein wie auch immer geartetes Vergehen begangen, das »Gründe für
einen Verweis von der Schule« lieferte.
    Und ob! entgegnete der Schulleiter. Was war denn mit »verwerflichem
Verhalten gegenüber Mädchen«? Mehrere Lehrer beeilten sich, dem
entgegenzuhalten, Mitzy Lish sei schließlich »kein Mädchen« mehr. Dann las der
Direktor ein Telegramm vor, das ihm der Exgatte von Mrs.   Lish, Herb Lish,
geschickt hatte. Der Hollywood-Produzent drückte darin seine Hoffnung aus, daß
die Schmach, die seine Exgattin – und auch ihr Sohn – erlitten hatten, nicht
ungestraft bliebe.
    »Dann erteilen Sie Owen eine Verwarnung«, schlug Dan Needham vor.
»Das ist Strafe genug, mehr als genug.«
    Doch Randy White meinte, es gäbe einen noch »schwerwiegenderen«
Vorwurf gegen Owen als nur den, daß er einer Mutter einen unsittlichen Antrag
gemacht habe; sei der Lehrkörper nicht auch der Meinung, der Vorwurf des
Antisemitismus sei »schwerwiegend«? Könne eine Schule mit einer so bunten
ethnischen Zusammensetzung diese Art von »Diskriminierung« tolerieren?
    Doch Mrs.   Lish hatte den Vorwurf des Antisemitismus gegen Owen
niemals durch Fakten untermauert. Selbst Larry Lish konnte sich auf
entsprechende Fragen an nichts erinnern, was an Owens Bemerkungen antisemitisch
gewesen wäre; ganz im Gegenteil, Larry gab zu, daß seine Mutter die Gewohnheit
hatte, jeden als Antisemiten zu bezeichnen, der

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