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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Südvietnam an.
    »DAS IST NORMALERWEISE KEIN BESONDERS GUTES ZEICHEN«, meinte Owen Meany. Wenn auch die meisten seiner Professoren an der University
of New Hampshire Owen nicht als brillant einstuften, so waren seine Dozenten in
den Militärwissenschaften schlichtweg begeistert. Es war das Jahr, in dem
Admiral Sharp Admiral Felt ablöste, als General Westmoreland General Harkins
ablöste, als General Wheeler General Taylor [618]  ablöste,
als General Johnson General Wheeler ablöste – als General Taylor Henry Cabot
Lodge als amerikanischen Botschafter in Vietnam ablöste.
    »DA TUT SICH WAS«, meinte Owen Meany.
Es war das Jahr des Tonking-Zwischenfalls, der Owen zu der Frage provozierte: »HEISST DAS, DER PRÄSIDENT KANN EINEN KRIEG ERKLÄREN, OHNE EINEN
KRIEG ZU ERKLÄREN?« Es war das Jahr, in dem Owens
Notendurchschnitt unter meinen sank; doch in den Militärwissenschaften war er
weiterhin ausgezeichnet.
    Selbst im Sommer 1964 war nichts Besonderes los – abgesehen davon,
daß der Ersatz für Maria Magdalena fertiggestellt und im Schulhof von St.
Michael’s auf Owens phantastischen Sockel gesetzt wurde, mehr als zwei Jahre
nach dem Anschlag auf ihre Vorgängerin.
    »DU BIST SO UNACHTSAM«, meinte Owen zu
mir. »ZWEI JAHRE LANG STAND DIE TORHÜTERIN NICHT IN IHREM
TOR, UND DIR IST ES NICHT MAL AUFGEFALLEN!«
    Was mir sofort auffiel, war, daß er Father Findley dazu überredet
hatte, sich von dem Tor zu trennen. Der weißgetünchte Torbogen war weg. Die
neue Maria Magdalena war granitgrau, grabsteingrau, eine Farbe, die Owen als NATÜRLICH bezeichnete. Wie die Farbe wirkte ihr
Gesicht etwas niederdrückend, fast um Verzeihung bittend; und ihre Arme waren
nicht in offensichtlichem Flehen ausgestreckt – vielmehr drückte sie die Hände,
die kaum aus dem Ärmel ihres Gewandes hervorschauten, gegen ihre winzige Brust,
die wie ihr ganzer Körper bis hinab zu den nackten grauen Füßen von dem
formlosen Gewand eingehüllt wurde. Sie wirkte insgesamt viel zu gesetzt für
eine ehemalige Prostituierte – und zu zurückhaltend für eine Heilige. Doch strahlte
sie eine gewisse Offenheit aus; sie sah aus, als könne man mit ihr ebensogut
auskommen wie mit meiner Mutter.
    Und der Sockel, auf den Owen sie gestellt hatte, war – im Gegensatz
zu Maria Magdalenas rauhem Äußeren (Granit ist nie [619]  so
glatt wie Marmor) – blankpoliert und fein säuberlich abgeschrägt; Owen hatte
mit der Diamanttrennscheibe einige feine Kanten geschnitten, die den Eindruck
hervorriefen, Maria Magdalena stünde auf ihrem Grab oder würde sich gerade
daraus erheben.
    »UND WAS MEINT IHR ?« fragte Owen Hester
und mich. »FATHER FINDLEY HAT SICH SEHR GEFREUT.«
    »Es ist krank – es ist einfach krankhaft«, sagte Hester. »Immer nur
Tod und noch mehr Tod – was anderes scheinst du nicht zu kennen.«
    »HESTER IST SO EMPFINDLICH «, meinte
Owen.
    »Ich finde sie schöner als die andere «,
sagte ich vorsichtig.
    »DAS IST DOCH GAR KEIN VERGLEICH !« gab
er zurück.
    »Der Sockel gefällt mir«, sagte ich. »Sieht fast so aus, als würde
sie… na ja, aus ihrem Grab steigen.«
    Owen nickte heftig. » DU HAST EIN GUTES AUGE «,
meinte er. »GENAU DEN EFFEKT WOLLTE ICH AUCH ERZIELEN. DAS
BEDEUTET ES SCHLIESSLICH AUCH, EIN HEILIGER ZU SEIN, ODER? EIN HEILIGER SOLLTE
DER INBEGRIFF DER UNSTERBLICHKEIT SEIN!«
    »Was für ein Scheiß !« meinte Hester. Auch
für Hester brachte dieses Jahr nichts Besonderes; sie war zwar fertig mit der
Uni, lebte aber immer noch in ihrer schmuddeligen Wohnung in Durham und
arbeitete immer noch als Bedienung in dem Hummerrestaurant in Kittery oder
Portsmouth. Ich war nie dagewesen; doch Owen meinte, es sei ganz nett – direkt
am Hafen, aber mit ein wenig kitschiger Dekoration (massenweise Hummerkörbe,
Bojen, Anker und Anlegeseile). Das Problem daran war, daß Hester Hummer nicht
ausstehen konnte – sie nannte sie »die Insekten des Meeres« und wusch sich jede
Nacht die Haare mit Zitronensaft, weil sie meinte, sie röchen nach Fisch.
    Ich glaube, ihre Arbeitszeit (sie bediente nur abends) war teilweise
für Owens Leistungsabfall verantwortlich; pflichtbewußt holte er sie immer von
der Arbeit ab – und mir kam es vor, als [620]  arbeite
sie jeden Abend. Hester hatte den Führerschein und auch ein Auto – Noahs alten
Chevy –, doch sie fuhr nicht gern; daß Onkel Alfred und Tante Martha ihr dieses
abgelegte Ding gegeben hatten, trug sicherlich mit dazu bei, daß sie nicht gern
fuhr. Owens Ansicht nach

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