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Owen Meany

Owen Meany

Titel: Owen Meany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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war der alte Chevy in einem besseren Zustand als sein
tomatenroter Kleintransporter; doch Hester wußte, daß der Wagen bereits
gebraucht gewesen war, als ihre Eltern ihn Noah geschenkt hatten, und der hatte
ihn an Simon weitergereicht, der damit einen Unfall gebaut hatte, ehe er ihn an
Hester abgab.
    Doch dadurch, daß er Hester von der Arbeit abholte, kam Owen selten
vor ein Uhr nachts in ihrer Wohnung an; Hester war nach der Arbeit so
aufgedreht, daß sie vor zwei Uhr nicht ins Bett ging – sie mußte sich die Haare
waschen, wodurch sie noch munterer wurde, und dann mußte sie Dampf ablassen.
Oft hatte sie jemand angepöbelt; manchmal ein Kunde, der sie nach der Arbeit zu
sich nach Hause einladen wollte – und ihr, als daraus nichts wurde, kein
Trinkgeld gab. Und die anderen Kellnerinnen waren »zum Schreien ahnungslos«,
sagte Hester; wovon sie keine Ahnung hatten, sagte
sie nicht – doch oft beschimpften auch sie Hester. Und wenn Owen Meany nicht bei Hester übernachtete – wenn er nach Hause zu
seinen Eltern fuhr –, dann kam er nicht vor drei ins
Bett.
    Hester schlief den ganzen Vormittag; doch Owen mußte zur Uni – und
im Sommer mußte er frühmorgens im Steinbruch sein. Manchmal kam er mir wie ein
müder, alter Mann vor – ein müder, alter, verheirateter Mann. Ich versuchte ihn dazu anzuspornen, seinem Studium ernsthafter
nachzugehen; doch zunehmend redete er von der Uni, als wolle er da so schnell
wie möglich raus.
    »WENN ICH HIER ERST MAL RAUS BIN«, meinte
er, »MUSS ICH MEINEN MILITÄRDIENST ABLEISTEN, UND DEN
WILL ICH NICHT AM SCHREIBTISCH ABSITZEN – WER WILL SICH IN DER ARMEE SCHON MIT PAPIERKRAM HERUMSCHLAGEN?«
    [621]  »Wer will überhaupt in die Armee?« fragte ich ihn. »Du solltest viel öfter am Schreibtisch sitzen – so wie du dein Studium durchziehst,
könnte man meinen, du wärst schon bei der Armee. Ich versteh dich nicht – bei
deiner Begabung solltest du eigentlich einsame Spitze sein.«
    »ES HAT MIR JA UNHEIMLICH GENÜTZT, DASS ICH AN DER
GRAVESEND ACADEMY EINSAME SPITZE WAR, ODER?« konterte er.
    »Wenn du nicht dieses blöde Fach Geologie als Hauptfach genommen
hättest, würden dich deine Kurse vielleicht mehr interessieren«, sagte ich.
    »GEOLOGIE IST FÜR MICH KEIN PROBLEM«, gab
er zurück. »IMMERHIN WEISS ICH ÜBER STEINE BESCHEID.«
    »Früher hast du nie Sachen gemacht, nur weil sie für dich kein Problem waren«, warf ich ihm vor.
    Er zuckte mit den Schultern. Erinnert sich noch jemand an die Zeit,
als alle aussteigen wollten? Owen Meany war der erste
Mensch aus meinem Bekanntenkreis, der »ausstieg«. Hester war natürlich als
»Aussteigerin« geboren; vielleicht hat Owen diesen
Gedanken von Hester übernommen, doch an sich kopierte Owen nie Ideen anderer.
Er war originell und ein Dickkopf.
    Auch ich war ein Dickkopf; Zweiundzwanzigjährige sind dickköpfig.
Owen versuchte, mich den ganzen Sommer 1964 über im Grabsteinladen arbeiten zu
lassen. Ich sagte ihm, ein Sommer im Laden würde reichen – entweder dürfe ich
im Steinbruch arbeiten, oder ich würde gehen.
    »ES IST NUR ZU DEINEM BESTEN«, meinte
er. »ES IST DIE BESTE ARBEIT IN DER BRANCHE – UND DIE
LEICHTESTE.«
    »Doch vielleicht will ich nicht immer das ›Leichteste‹«, entgegnete
ich. »Und vielleicht läßt du mich mal entscheiden,
was am ›besten‹ für mich ist.«
    »DANN GEH DOCH«, sagte er nur.
    »Also gut«, erwiderte ich. »Ich sollte wohl mit deinem Vater reden.«
    [622]  »MEIN VATER HAT
DICH NICHT EINGESTELLT«, meinte Owen Meany.
    Natürlich ging ich nicht; doch ich stand ihm an Dickköpfigkeit nicht
nach – ich deutete ihm an, daß mein Interesse, den Schuß zu üben, nachließ. Im
Sommer 1964 wirkte Owen Meany wie ein Aussteiger – in vielerlei Hinsicht –,
doch der Feuereifer, mit dem er immer den Schuß geübt hatte, war zurückgekehrt.
Wir schlossen einen Kompromiß: ich würde bis zum August lernen, mit der
Diamanttrennscheibe umzugehen; und von August an – als die beiden US -Zerstörer Maddox und Turner Joy im Golf von Tonking angegriffen wurden – ließ
Owen mich dann im Steinbruch als Signalgeber arbeiten. Wenn es regnete,
schickte er mich zu den Sägearbeitern; und am Ende des Sommers hatte ich auch
das Bohren gelernt.
    »IM NÄCHSTEN SOMMER KANNST DU DICH MAL AM KRAN
VERSUCHEN«, meinte er. »IM NÄCHSTEN
AUGUST ZEIG ICH DIR, WIE GESPRENGT WIRD – WENN ICH VON DER GRUNDAUSBILDUNG
ZURÜCK BIN.«
    Kurz bevor unser drittes Studienjahr begann – kurz bevor die

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